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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0070
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Stellenkommentar GM Titel, KSA 5, S. 245 51

Überzeugungen, Wertungs- und Handlungsweisen, nach dem der europäische
Mensch zu leben gelernt hat. Diese Moral ist eine spezifische und eine histo-
risch veränderliche - und hat ihre wesentliche Modifikation durch das erlebt,
was GM I 7 den „Sklavenaufstand in der Moral" (KSA 5, 268, 2) nennt.
In den historisch-narrativen Passagen von GM werden aber durchaus unter-
schiedliche Typen von Moral oder eben „Moralen" thematisiert, beispielsweise
die vornehme und sklavische.
245, 2 Eine Streitschrift] N. hat den Begriff „Streitschrift" in frühen Jahren
kaum benutzt - und niemals direkt als Bestandteil eines eigenen Buchtitels.
Immerhin scheint N. für UB I DS die Bezeichnung „Streitschrift" nicht als unan-
gemessen empfunden zu haben (vgl. NL 1873, KSA 7, 25[58], 604, 6-8), und
Erwin Rohdes Afterphilologie (1872), die Verteidigung von GT, wird von ihm als
„ausgezeichnete Streitschrift" lobend erwähnt (N. an die Lese- und Redehalle
der deutschen Studenten in Prag, November/Dezember 1872, KGB II 7/2,
Nr. 276a, S. 3, Z. 8). Overbecks Zwillingsschrift zu UB I DS, Ueber die Christlich-
keit unserer heutigen Theologie trägt den Untertitel Streit- und Friedensschrift
(Overbeck 1873). Das Wort „Streitschrift" taucht dann erst wieder im Entste-
hungsumfeld von GM auf und scheint als Titelbestandteil offenbar schon vor
dem eigentlichen Haupttitel festgestanden zu haben, wenn man der Aufzeich-
nung NL 1886/87, KSA 12, 6[2], 231, 5-9 Glauben schenkt: „Jenseits von
Gut und Schlecht? / Eine / philosophische Streitschrift. / (Zur Ergänzung
und Verdeutlichung des letztveröffentlichten / Buches Jenseits v. Gut und
Böse')" (vgl. auch NK 288, 22-24, ferner Conant 2001, 201). In den Briefen wird
auf GM gerne als „Streitschrift" Bezug genommen; weitere „Streitschriften"
hatte N. geplant (z. B. KGW IX 6, W II 1, 132, 4 = NL 1887, KSA 12, 9[9], 343, 30;
KGW IX 6, W II 1, 132, 18 = NL 1887, KSA 12, 9[10], 344, 1 u. KGW IX 6, W II 1,
82, 4 = NL 1887, KSA 12, 9[83], 377, 20). Auch GM Vorrede 2 bezeichnet das Werk
ausdrücklich als „Streitschrift" (KSA 5, 248, 7), und GM Vorrede 5 bezieht sich
offensichtlich auf MA als „Streitschrift" (vgl. NK 252, 1-3). Abgesehen von Over-
beck 1873 und Lessings Theologischen Streitschriften im Rahmen einer Werk-
ausgabe (Lessing 1867, 10, 1-216) hat sich in N.s Bibliothek keine explizite
„Streitschrift" erhalten. Die Gattung der Streitschrift, erwachsen aus der akade-
mischen Disputationspraxis, hat im Gelehrtendiskurs der frühen Neuzeit eine
zentrale Rolle gespielt; sie bestimmte lange das Bild der intellektuellen Ausei-
nandersetzung (vgl. z. B. Rohner 1987). Im gelehrten Kontext werden auch im
letzten Drittel des 19. Jahrhunderts noch ausdrücklich Streitschriften geschrie-
ben, so beispielsweise von Gustav Teichmüller in der „platonischen Frage" ge-
gen Eduard Zeller (Teichmüller 1876). Häufiger aber ist die Verwendung des
Titels im politischen Kontext, so bei August Bebel (1870), Julius Fröbel (1878)
und Franz Mehring (1882), und ebenso finden sich Verwendungen im theologi-
 
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