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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0172
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Stellenkommentar GM I 10, KSA 5, S. 271-272 153

271, 20-25 andrerseits erwäge man, dass jedenfalls der Affekt der Verachtung,
des Herabblickens, des Überlegen-Blickens, gesetzt, dass er das Bild des Verach-
teten fälscht, bei weitem hinter der Fälschung zurückbleiben wird, mit der der
zurückgetretene Hass, die Rache des Ohnmächtigen sich an seinem Gegner — in
effigie natürlich — vergreifen wird) Lateinisch: „in effigie": „im Bild". Rechtshis-
torisch meint der Ausdruck, dass das Bild eines Verurteilten an dessen Stelle
,hingerichtet' wird, weil man seiner nicht habhaft werden kann. Vgl. NK 373,
33-374, 3. May 1999, 43 argumentiert, am Ende hasse der von Sklavenmoral
Regierte nicht nur die Herren, sondern die ganze Welt in effigie. Patton 2008,
475 betont, wie sehr die Rache in effigie dem Ohnmächtigen ein Machtgefühl
verschaffe.
271, 30-272, 5 Man überhöre doch die beinahe wohlwollenden nuances nicht,
welche zum Beispiel der griechische Adel in alle Worte legt, mit denen er das
niedere Volk von sich abhebt; wie sich fortwährend eine Art Bedauern, Rücksicht,
Nachsicht einmischt und anzuckert, bis zu dem Ende, dass fast alle Worte, die
dem gemeinen Manne zukommen, schliesslich als Ausdrücke für „unglücklich"
„bedauernswürdig" übrig geblieben sind (vergleiche öeiAog, öeiAatoq, novripog,
}iox9rip6q, letztere zwei eigentlich den gemeinen Mann als Arbeitssklaven und
Lastthier kennzeichnend)] Die von N. umgedeutete sprachhistorische Quelle für
den Gebrauch dieser Worte ist wiederum Schmidts Ethik der alten Griechen,
wobei dieser stärker zwischen den in 272, 3 aufgerufenen, einzelnen Begriffen
differenziert, wenn er bei öeiÄog (siehe NK 263, 12-15) und öeiÄaiog (siehe
NK 272, 3) eine semantische Verschiebung von der Feigheit über die sittliche
Schlechtigkeit bis hin zum Unglücklichsein geltend macht, während sich bei
den folgenden Begriffen genau die entgegengesetzte Entwicklung beobachten
lasse: „Viel weniger fremdartig berührt uns der umgekehrte Process, durch den
Worte, deren eigentliche Bedeutung die des unglücklichen ist, im Sinne des
sittlich schlechten angewandt werden, denn dieser wiederholt sich in allen
Sprachen und erklärt sich im Allgemeinen aus dem humanen Zuge die Schärfe
des Tadels durch Einmischung des Mitleids zu mildern, allein im Griechischen
ist er vorzugsweise häufig und steht augenscheinlich mit den eben erörterten
nationalen Anschauungen im engen Zusammenhänge" (Schmidt 1882b, 1,
370).
272, 3 öedög] Vgl. NK 263, 12-15.
272, 3 deiAaioq] Griechisch: „verlängerte Form von 5aAö§ [...], elend, unglück-
lich, traurig, von Personen u. Sachen" (Passow 1841-1857, 1/1, 596). Im unmit-
telbaren Anschluss an die in NK 263, 12-15 zitierte Stelle über das Wort öeiAog,
das „die Bedeutung ,unglücklich' angenommen" habe, heißt es bei Schmidt
1882b, 1, 370, diese Bedeutung sei „bereits bei Homer sehr häufig", und für sie
 
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