Stellenkommentar GM I 14, KSA 5, S. 282-283 201
die „Gottlosigkeit"] „Triumph der Gerechtigkeit" ist auf Deutsch trotz der An-
führungszeichen kein gängiger theologischer Terminus, um den göttlichen
Endsieg zu umschreiben. Auf Französisch kommt er häufiger vor, an signifi-
kanter Stelle im fünften Band von Renans Histoire des origines du Christianis-
me, nämlich in Les Evangiles et la seconde generation chretienne. Dort wird
das Vierte Buch Esra besprochen, eine christianisierte Apokalypse jüdischen
Ursprungs vom Ende des 1. nachchristlichen Jahrhunderts. In diesem pseude-
pigraphischen Text stellt der Engel Uriel dem Seher Esra ein schreckliches
Weltgericht in Aussicht: „,Les justes du moins, demande Esdras, ne pourront-
ils pas prier pour les damnes, le fils pour son /363/ pere, le frere pour son frere,
l'ami pour son ami?' La reponse est terrible. ,De meme que, dans la vie presen-
te, le pere ne saurait donner procuration ä son fils, le fils ä son pere, le maitre
ä son esclave, l'ami ä son ami, pour etre malade, pour dormir, pour manger,
pour etre gueri ä sa place; de meme ce jour-lä personne ne pourra intervenir
pour un autre; chacun portera sa propre justice ou sa propre injustice.' Esdras
objecte en vain ä Uriel les exemples d'Abraham et d'autres saints personnages
qui ont prie pour leurs freres. Le jour du jugement inaugurera un etat definitif,
oü le triomphe de la justice sera tel que le juste lui-meme ne pourra avoir pitie
du damne" (Renan 1877, 362 f. „,Zumindest die Gerechten, fragt Esra, werden
sie nicht für die Verdammten beten können, der Sohn für seinen Vater, der
Bruder für seinen Bruder, der Freund für seinen Freund?' Die Antwort ist
schrecklich. ,Wie im gegenwärtigen Leben kann der Vater nicht seinen Sohn,
der Sohn nicht seinen Vater, der Meister nicht seinen Sklaven, der Freund
nicht seinen Freund dazu bringen krank zu sein, zu schlafen, zu essen, an
seiner Stelle geheilt zu werden; auch an jenem Tag kann keiner für einen ande-
ren eingreifen; jeder wird seine eigene Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit tra-
gen müssen.' Esra hält Uriel vergeblich die Beispiele von Abraham und ande-
ren heiligen Personen entgegen, die für ihre Brüder gebetet haben. Der Tag des
Gerichts wird einen endgültigen Zustand einläuten, in dem der Triumph der
Gerechtigkeit derart sein wird, dass der Gerechte selbst kein Mitleid mit dem
Verdammten wird haben können").
283, 4 f. : die Trunkenheit der süssen Rache ( — „süsser als Honig" nannte sie
schon Homer)] Die Quelle ist Homer: Ilias I 249 und XVIII 109. Vgl. auch NK
KSA 6, 133, 8.
283, 8 „Brüder in der Liebe"] Das ist kein direktes Bibelzitat, erinnert jedoch
an den an die „lieben Brüder" adressierten Vers 1. Thessalonicher 3, 12: „Euch
aber vermehre der HErr, und lasse die Liebe völlig werden unter einander" (Die
Bibel: Neues Testament 1818, 245).
283, 15 f. einstweilen aber leben sie „im Glauben", „in der Liebe", „in der
Hoffnung."] Bekanntlich erklärte Paulus „Glaube, Hoffnung, Liebe" zu zen-
die „Gottlosigkeit"] „Triumph der Gerechtigkeit" ist auf Deutsch trotz der An-
führungszeichen kein gängiger theologischer Terminus, um den göttlichen
Endsieg zu umschreiben. Auf Französisch kommt er häufiger vor, an signifi-
kanter Stelle im fünften Band von Renans Histoire des origines du Christianis-
me, nämlich in Les Evangiles et la seconde generation chretienne. Dort wird
das Vierte Buch Esra besprochen, eine christianisierte Apokalypse jüdischen
Ursprungs vom Ende des 1. nachchristlichen Jahrhunderts. In diesem pseude-
pigraphischen Text stellt der Engel Uriel dem Seher Esra ein schreckliches
Weltgericht in Aussicht: „,Les justes du moins, demande Esdras, ne pourront-
ils pas prier pour les damnes, le fils pour son /363/ pere, le frere pour son frere,
l'ami pour son ami?' La reponse est terrible. ,De meme que, dans la vie presen-
te, le pere ne saurait donner procuration ä son fils, le fils ä son pere, le maitre
ä son esclave, l'ami ä son ami, pour etre malade, pour dormir, pour manger,
pour etre gueri ä sa place; de meme ce jour-lä personne ne pourra intervenir
pour un autre; chacun portera sa propre justice ou sa propre injustice.' Esdras
objecte en vain ä Uriel les exemples d'Abraham et d'autres saints personnages
qui ont prie pour leurs freres. Le jour du jugement inaugurera un etat definitif,
oü le triomphe de la justice sera tel que le juste lui-meme ne pourra avoir pitie
du damne" (Renan 1877, 362 f. „,Zumindest die Gerechten, fragt Esra, werden
sie nicht für die Verdammten beten können, der Sohn für seinen Vater, der
Bruder für seinen Bruder, der Freund für seinen Freund?' Die Antwort ist
schrecklich. ,Wie im gegenwärtigen Leben kann der Vater nicht seinen Sohn,
der Sohn nicht seinen Vater, der Meister nicht seinen Sklaven, der Freund
nicht seinen Freund dazu bringen krank zu sein, zu schlafen, zu essen, an
seiner Stelle geheilt zu werden; auch an jenem Tag kann keiner für einen ande-
ren eingreifen; jeder wird seine eigene Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit tra-
gen müssen.' Esra hält Uriel vergeblich die Beispiele von Abraham und ande-
ren heiligen Personen entgegen, die für ihre Brüder gebetet haben. Der Tag des
Gerichts wird einen endgültigen Zustand einläuten, in dem der Triumph der
Gerechtigkeit derart sein wird, dass der Gerechte selbst kein Mitleid mit dem
Verdammten wird haben können").
283, 4 f. : die Trunkenheit der süssen Rache ( — „süsser als Honig" nannte sie
schon Homer)] Die Quelle ist Homer: Ilias I 249 und XVIII 109. Vgl. auch NK
KSA 6, 133, 8.
283, 8 „Brüder in der Liebe"] Das ist kein direktes Bibelzitat, erinnert jedoch
an den an die „lieben Brüder" adressierten Vers 1. Thessalonicher 3, 12: „Euch
aber vermehre der HErr, und lasse die Liebe völlig werden unter einander" (Die
Bibel: Neues Testament 1818, 245).
283, 15 f. einstweilen aber leben sie „im Glauben", „in der Liebe", „in der
Hoffnung."] Bekanntlich erklärte Paulus „Glaube, Hoffnung, Liebe" zu zen-