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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0240
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Stellenkommentar GM I Anmerkung, KSA 5, S. 288-289 221

Duktus; solche Preisfragen waren an Akademien und Universitäten im 19. Jahr-
hundert noch gang und gäbe.
Nach der akademischen Formulierung dieser Frage, die GM 1 ja selbst
schon in verschiedener Hinsicht zu beantworten suchte, wird freilich der Blick-
winkel geweitet: Auch Physiologen und Mediziner müssten herangezogen wer-
den, denn alle Werte bedürften der „physiologischen Beleuchtung und
Ausdeutung, eher jedenfalls noch als der psychologischen" (289, 16 f., vgl.
dazu Brusotti 2012a, 101 f.). Man solle nämlich fragen, was eine bestimmte „Gü-
tertafel und ,Moral' werth" sei (289, 19), und zwar im Hinblick worauf. Denn
was dazu gut ist, eine „Rasse" (289, 22) anpassungsfähig und damit überle-
benstauglich mache, ist etwas völlig anderes als etwas, was dazu gut ist, einen
höheren Typus zu schaffen. Und dann taucht der Philosoph, der in Gestalt
des bloßen „Fach-Philosophen" (289, 9) nur für interdisziplinäre Vermittlung
zuständig schien, am Ende in ganzer Glorie wieder auf: Die Wissenschaften
leisten nur propädeutische Arbeit, damit der Philosoph dereinst die „Rang-
ordnung der Werthe" (289, 31 f.) festlegen könne.
288, 30 Studien] In der Erstauflage steht fälschlicherweise „Sudien" (Nietz-
sche 1887a, 37). KGW und KSA korrigieren den Druckfehler stillschweigend.
289, 14-18 In der That bedürfen alle Gütertafeln, alle „du sollst", von denen die
Geschichte oder die ethnologische Forschung weiss, zunächst der physiologi-
schen Beleuchtung und Ausdeutung, eher jedenfalls noch als der psychologi-
schen; alle insgleichen warten auf eine Kritik von seiten der medicinischen Wis-
senschaft.] Solchen auch explizit gemachten Methoden-Mischungen ist N. in
der von ihm konsultierten Literatur immer wieder begegnet, so z. B. in der Vor-
rede von Otto Casparis Urgeschichte der Menschheit, wo die Historie mit der
Psychologie, der Ethnologie, der Etymologie und der Mythenforschung unter
einer Forschungsfrage verbunden werden - wobei die Physiologie bezeichnen-
derweise gerade fehlt (Caspari 1877, 1, VII). Zum Begriff der Physiologie und zu
seinen politischen Implikationen in GM siehe auch Ioan 2014, 388-403.
289, 23 Steigerung ihrer Anpassungskräfte an ein bestimmtes Klima] Der Begriff
der Anpassungskraft, der in GM III 17, KSA 5, 378, 20 gleichfalls im Blick auf
die klimatischen Gegebenheiten wieder auftaucht, hat eine darwinistische Fär-
bung, vgl. NK KSA 5, 182, 15-27.
289, 25-28 Das Wohl der Meisten und das Wohl der Wenigsten sind entgegen-
gesetzte Werth-Gesichtspunkte: an sich schon den ersteren für den höherwerthi-
gen zu halten, wollen wir der Naivetät englischer Biologen überlassen...] Die
„englischen Biologen", die an die „englischen Psychologen" erinnern (vgl.
NK 257, 4), sind wohl Anhänger Darwins. Insbesondere auf Herbert Spencer
 
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