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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0389
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370 Zur Genealogie der Moral

216. Zu Anleihen bei Lippert 1882, 16-20 in N.s Nachlass-Notaten von 1885/
86, die sich mit Sünde, Sühne, Sühnschuld und Versöhnung mit der Gottheit
beschäftigen, siehe Orsucci 1996, 217-219. Lippert 1881b, VI begründet seine
eigenen Forschungen damit, dass „die Thatsachen der anthropologischen Wis-
senschaft dazu drängen, auf dem Gebiete der Entwicklung der Naturreligionen
dem ,Seelen- und Ahnencult' in der zu entwickelnden Auffassung eine viel
hervorragendere Stellung einzuräumen", als dies bisher geschehen - was
selbst für Otto Caspari gelte, dessen Urgeschichte der Menschheit (Caspari 1877)
N. wiederum besessen hat. Orsucci 1996, 220 legt nahe, dass N. Lippert 1881b
studiert und exzerpiert hat.
328, 26 f. der Ahnherr wird zuletzt nothwendig in einen Gott transfigurirt] Vgl.
NK 327, 25-32. Spencer 1879, 44 spricht von jenen fernen Zeiten, „wo man die
vergötterten Vorfahren durch Selbstpeinigungen zu versöhnen suchte", die in
modernen Moralkonzeptionen noch nachhallten. Caspari 1877, 1, 402 be-
schreibt „den natürlichen Uebergang des Heroen- und Häuptlingscultus in den
späteren Göttercultus" (vgl. auch Lippert 1881a, 16). Schließlich argumentiert
Lippert 1882, 19: „Während es in Urzeiten die einzelnen nicht versöhnten See-
len selbst waren, als deren Racheakte die menschlichen Leiden und Unglücks-
fälle aufgefasst wurden, traten allmählich weiterreichende strafende Gewalten
an ihre Stelle und die betreffenden Cultverschulden verallgemeinerten sich
zum Unrecht überhaupt."
328, 27 f. Vielleicht ist hier selbst der Ursprung der Götter, ein Ursprung also
aus der Furcht!...] Vgl. Publius Papinius Statius: Thebais III 661: „Primus in
orbe deos fecit timor" („Als erste erschuf die Angst in der Welt die Götter").
Siehe auch die in NK 327, 25-32 zitierte Stelle aus Spencer 1879, 53 f. Die religi-
onspsychologische Dimension der Angst lotet Guyau 1887, 160 aus, während
Lippert 1882, 29 ausführt: „Im Gegentheil, je geräuschvoller die Apparate der
tausendfältigen Heilsanstalten arbeiteten, desto eindringlicher wurde dem
Menschen durch die Thatsache dieser Angstarbeit sein Schuldbewusstsein vor-
gehalten und wie zeitweilig unsere Bussmissionen nicht den Frieden des er-
leichterten Gewissens in die Dörfer tragen, sondern auch Verzweiflung und
Wahnsinn, so erfasste auch damals einen Theil der Menschheit eine Heilssucht
von der Art einer Manie. Zum Theil wohl noch in solcher Weise künstlich auf-
geregt, sei, so erzählt Plutarch (de superstitione) zu seiner Zeit die Beängsti-
gung so gross gewesen, dass sie — zum Atheismus geführt habe. So sehr
fürchtete man die Götter, dass man sich, um diese durch kein Sühnmittel
zu bannende Furcht loszuwerden, sich zu überreden bemühte, es gäbe keine
Götter."
328, 31-329, 3 Um so mehr freilich für die mittlere Zeit, in der die vornehmen
Geschlechter sich herausbilden: — als welche in der That ihren Urhebern, den
 
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