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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0398
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Stellenkommentar GM II 21, KSA 5, S. 330-331 379

se Moralisirung entsprang aus der Entwickelung des sittlichen Bewusstseins
der Menschheit, welche in den Willen der Götter hineingetragen wurde" (ebd.,
74). Und Hartmann deutet diesen Prozess positiv, während „Moralisirung"
nach GM II 21 das Bestreben ist, trotz der schwindenden Bindungskraft religiö-
ser Überzeugungen die Neigung der Menschen, sich durch Schuldvorstellun-
gen selbst zu quälen, zu bestärken und zu verewigen. Moralisierung meint
hier, dass der Mensch nicht aufhört, sich in der Abscheu vor sich selbst zu
suhlen.
331, 7 f. polypenhaft in jede Breite und Tiefe wächst] Während N. die Polypen-
metapher andernorts zoologisch verwendet - siehe M 119, KSA 3, 111 f. und NK
KSA 6, 14, If. -, ist sie hier pathologisch gemeint. Um es mit dem Fremdwörter-
buch von Daniel Sanders zu sagen: „polypenhaft, nam.: mit Polypen (2)", wo
es wiederum heißt: „2) (Arzn.) fleischartige Auswüchse, die sich in den innern
Höhlungen der Körper aus der Schleimhaut bilden" (Sanders 1871, 2, 304).
331, 10 der „ewigen Strafe"] Lippert 1882, 321 schildert die Verschärfung der
negativen Jenseitsaussichten im Laufe der Christentumsgeschichte: „Wen nach
Pauli Ansicht Gottes Gnade nicht wählte, dem geschah kein Unrecht; er trug
eben nur das allgemeine Loos des Todes; er hatte ja keinen Anspruch, nicht
zu sterben, keinen Anspruch erweckt zu werden. Nun aber war durch die Ent-
wicklung der Vorstellungen von Himmel und Hölle und ewigen Strafen aus
dem quallosen Zustande des Todes eine ewig lebende Qual geworden." Vgl. zu
früheren Höllen- und Ewigkeitsstrafenvorstellungen ebd., 147.
331, 10-12 endlich aber sogar gegen den „Gläubiger", an die causa prima des
Menschen, denke man dabei nun an den Anfang des menschlichen Geschlechts]
Fälschlich heißt es in KSA 5, 331, 10-12: „endlich aber sogar gegen den ,Gläubi-
ger', denke man dabei nun an die causa prima des Menschen, an den Anfang
des menschlichen Geschlechts". Das ist ein Eingriff der Herausgeber; in der
Erstausgabe steht unmissverständlich: „endlich aber sogar gegen den ,Gläubi-
ger', an die causa prima des Menschen, denke man dabei nun an den Anfang
des menschlichen Geschlechts" (Nietzsche 1887a, 87).
331, 14 „Adam"] Die Umdeutung der Paradiesgeschichte aus dem Buch Gene-
sis durch den Apostel Paulus stand N. durch die rezente Lippert-Lektüre wohl
noch vor Augen, nämlich die „Lehre" „von Adams Schuld und dem Tode."
(Lippert 1882, 61) Aus dem Umstand der Sterblichkeit folgert Paulus, „dass
schon der erste Mensch eine Sühnschuld auf sich geladen, d. h. eine ihm oblie-
gende Sühne nicht abgetragen haben muss" (ebd., 64). „Nun kann aber Nie-
mand die Thatsache leugnen, dass der Tod ein Erbe der Menschen geblieben
ist, trotzdem sie nun eigentlich gleich Minderjährigen eine Schuld nicht contra-
 
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