Stellenkommentar GM II 22, KSA 5, S. 332-333 385
die Schöpfung eines heiligen Gottes, nebst dem Gedanken der Sünde als eines
Vergehens an dieser Heiligkeit, gelungen ist" (KSA 3, 65, 25-29). In Nachlass-
aufzeichnungen aus demselben zeitlichen Umkreis werden die Juden wieder-
holt als Erfinder des „heiligen Gottes" adressiert (NL 1880, KSA 9, 3[103], 75,
19 f.; 3[115], 80, 18; 6[229], 257, 7, vgl. auch Gentili 2010, 258). Hermann Lüde-
manns Studie Die Anthropologie des Apostels Paulus, die für N. damals eine
Hauptquelle zu Paulus darstellte, fragt, was mit Paulus' „Wegschaffung des
Gesetzes erreicht" werde: Die Sünde erscheine „im Galaterbrief keineswegs als
unüberwindlich, wenn man nur nicht die Unbesonnenheit begeht, sich wieder
unter das Gesetz zu begeben (v. 18). Sie ist hier noch nicht das selbstständige
diabolische Princip des Römerbriefes, sie ist, gemäss dem alttestamentlichen
odp^-Begriff, eine den Menschen dem erhabenen heiligen Gott gegenüber ver-
schuldende Schwäche und verwerfliche Unvollkommenheit desselben" (Lüde-
mann 1872, 191, vgl. ebd., 170).
332, 34 Paroxysmen des Unsinns] Der medizinische Begriff „Paroxysmus"
kommt in N.s Werken nur hier und in MA I 358, KSA 2, 254, 12 vor. „Paroxysmus
(griech., lat. Exacerbatio), eigentlich Verschärfung, bei Krankheiten, welche
mit periodisch wiederkehrende Anfällen von Fieber, Krampf, Delirium etc. ver-
bunden sind, das Auftreten dieser Erscheinungen in Form von Anfällen, wel-
che gleichsam den höchsten Punkt bezeichnen, den die Störung im Organis-
mus unter den vorhandenen Umständen erreichen kann" (Meyer 1885-1892,
12, 743). Besonders oft findet sich der Ausdruck unter N.s religionshistorischen
Lektüren bei William Edward Hartpole Lecky, namentlich in dessen Entste-
hungsgeschichte und Charakteristik des Methodismus: „Paroxysmen krankhafter
Andacht" (Lecky 1880, 36), „hysterische Paroxysmen der Andacht oder Reue"
(ebd., 44), „Paroxysmus der Angst" (ebd., 67, dazu NK 391, 21), „Paroxysmus
äusserster, wenn auch meist vorübergehender Agonie" (Lecky 1880, 70), „con-
vulsivische Paroxysmen" (ebd., 99), „krampfhafte Paroxismen" (ebd., 107). All
die Paroxysmus-Beispiele, die Lecky gibt, stammen aus dem Bereich der er-
wecklich-methodistischen Frömmigkeit. „In diesen Beispielen erwies sich der
Paroxysmus als vorübergehend, das war aber nicht immer der Fall. Religiöser
Irrsinn, der vermöge der Beschaffenheit seiner Hallucinationen meist die trau-
rigste von allen Wahnsinnsformen ist, war in diesem ,Revival', wie in manchen
späteren, kein seltenes Vorkommniss" (ebd., 72).
333, 3 f. aber auch von einer schwarzen düsteren entnervenden Traurigkeit] Mit
der Gräcisierung und Romanisierung sei es, so Julius Lippert, dem jüdischen
Volk ergangen wie nach Gustav Theodor Fritsch den südafrikanischen Urein-
wohnern: „Bemerkenswerth ist die oft beobachtete Thatsache, dass die in Rede
stehenden Eingeborenen, wenn sie sich längere Zeit im Dienste von Europäern
die Schöpfung eines heiligen Gottes, nebst dem Gedanken der Sünde als eines
Vergehens an dieser Heiligkeit, gelungen ist" (KSA 3, 65, 25-29). In Nachlass-
aufzeichnungen aus demselben zeitlichen Umkreis werden die Juden wieder-
holt als Erfinder des „heiligen Gottes" adressiert (NL 1880, KSA 9, 3[103], 75,
19 f.; 3[115], 80, 18; 6[229], 257, 7, vgl. auch Gentili 2010, 258). Hermann Lüde-
manns Studie Die Anthropologie des Apostels Paulus, die für N. damals eine
Hauptquelle zu Paulus darstellte, fragt, was mit Paulus' „Wegschaffung des
Gesetzes erreicht" werde: Die Sünde erscheine „im Galaterbrief keineswegs als
unüberwindlich, wenn man nur nicht die Unbesonnenheit begeht, sich wieder
unter das Gesetz zu begeben (v. 18). Sie ist hier noch nicht das selbstständige
diabolische Princip des Römerbriefes, sie ist, gemäss dem alttestamentlichen
odp^-Begriff, eine den Menschen dem erhabenen heiligen Gott gegenüber ver-
schuldende Schwäche und verwerfliche Unvollkommenheit desselben" (Lüde-
mann 1872, 191, vgl. ebd., 170).
332, 34 Paroxysmen des Unsinns] Der medizinische Begriff „Paroxysmus"
kommt in N.s Werken nur hier und in MA I 358, KSA 2, 254, 12 vor. „Paroxysmus
(griech., lat. Exacerbatio), eigentlich Verschärfung, bei Krankheiten, welche
mit periodisch wiederkehrende Anfällen von Fieber, Krampf, Delirium etc. ver-
bunden sind, das Auftreten dieser Erscheinungen in Form von Anfällen, wel-
che gleichsam den höchsten Punkt bezeichnen, den die Störung im Organis-
mus unter den vorhandenen Umständen erreichen kann" (Meyer 1885-1892,
12, 743). Besonders oft findet sich der Ausdruck unter N.s religionshistorischen
Lektüren bei William Edward Hartpole Lecky, namentlich in dessen Entste-
hungsgeschichte und Charakteristik des Methodismus: „Paroxysmen krankhafter
Andacht" (Lecky 1880, 36), „hysterische Paroxysmen der Andacht oder Reue"
(ebd., 44), „Paroxysmus der Angst" (ebd., 67, dazu NK 391, 21), „Paroxysmus
äusserster, wenn auch meist vorübergehender Agonie" (Lecky 1880, 70), „con-
vulsivische Paroxysmen" (ebd., 99), „krampfhafte Paroxismen" (ebd., 107). All
die Paroxysmus-Beispiele, die Lecky gibt, stammen aus dem Bereich der er-
wecklich-methodistischen Frömmigkeit. „In diesen Beispielen erwies sich der
Paroxysmus als vorübergehend, das war aber nicht immer der Fall. Religiöser
Irrsinn, der vermöge der Beschaffenheit seiner Hallucinationen meist die trau-
rigste von allen Wahnsinnsformen ist, war in diesem ,Revival', wie in manchen
späteren, kein seltenes Vorkommniss" (ebd., 72).
333, 3 f. aber auch von einer schwarzen düsteren entnervenden Traurigkeit] Mit
der Gräcisierung und Romanisierung sei es, so Julius Lippert, dem jüdischen
Volk ergangen wie nach Gustav Theodor Fritsch den südafrikanischen Urein-
wohnern: „Bemerkenswerth ist die oft beobachtete Thatsache, dass die in Rede
stehenden Eingeborenen, wenn sie sich längere Zeit im Dienste von Europäern