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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0471
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452 Zur Genealogie der Moral

der wiederum eine absolute Moral voraussetzen würde, sondern ein relationa-
ler Begriff: Den alten Griechen wäre der moderne technische Umgang mit der
Natur als Frevel erschienen. Nimmt man die Natur-Technik-Überlegung zusam-
men mit den Überlegungen zum modernen hochmütigen Umgang mit Gott und
dem Selbst (Kants regulative Ideen aus der Kritik der reinen Vernunft stehen im
Hintergrund), dann drängt sich der Eindruck auf, moderne Moralität jenseits
des Herkommens sei gerade bestimmt von einer rücksichtslosen, gewalttätigen
Abkehr vom bis dahin Gültigen. Die danach genannten Gebilde dieser (mehr
oder weniger) modernen Moral - Ehe, Milde, Recht - stehen aber eben im Ge-
genteil gerade nicht für diesen rücksichtslosen, gewalttätigen Wirklichkeitszu-
griff. Das moralgenealogische Panorama von GM III 9 ist schillernd uneindeu-
tig.
356, 24 f. am Gängelbande] Grimm 1854-1971, 4, 1243: „band an dem ein
kind gehen lernt, an dem man es gängelt". Dort finden sich Belege einer meta-
phorischen Verwendung bei Lessing, Winckelmann, Schiller und Platen. Ne-
ben drei Gängelbandstellen in N.s Frühwerk gehört das Gängelband in Za I
Von den Verächtern des Leibes, KSA 4, 40, ll f. zur Selbstbeschreibung des
Selbst, das von sich sagt: „Ich bin das Gängelband des Ich's und der Einbläser
seiner Begriffe."
356, 30-357, 1 Es ist der Philosophie anfangs ergangen wie allen guten Din-
gen, — sie hatten lange keinen Muth zu sich selber, sie sahen sich immer um, ob
ihnen Niemand zu Hülfe kommen wolle, mehr noch, sie fürchteten sich vor Allen,
die ihnen zusahn.] Dazu stehen die Künstler in GM II 5 im Gegensatz, die als
Moralkammerdiener, anders als die Philosophen, offenbar nie das Bedürfnis
verspürten, im Eigenen trittsicher zu werden.
357, 4 seinen abwartenden („ephektischen") Trieb] Vgl. NK 398, 30.
357, 8 sine ira et studio] Lateinisch: „ohne Zorn und Eifer" - die berühmte
Losung, an der Tacitus: Annalen I 1 sein Geschichtswerk orientiert.
357, llf. Vernunft überhaupt, welche noch Luther Fraw Klüglin die kluge Hur
zu nennen liebte] Die drei in altertümlicher Schreibweise als scheinbar originale
Luther-Zitate ausgegebenen Stellen in GM III entstammen allesamt weniger
„dem bildungsbürgerlichen Allgemeingut" (so Beutel 2013, 205), sondern einer
konkreten Quelle, nämlich Erich Schmidts Aufsatz „Faust und das sechzehnte
Jahrhundert", der erstmals 1882 im Goethe-Jahrbuch erschienen war und 1886
in Schmidts Sammelband Charakteristiken erneute Aufnahme fand (zum for-
schungsgeschichtlichen Stellenwert von Schmidts Aufsatz im Rahmen der
Faust-Forschung siehe Riedl 2005, 221). Weder das Goethe-Jahrbuch noch
Schmidts Charakteristiken haben sich in N.s Bibliothek erhalten; er erwähnt
 
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