Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0508
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar GM III 14, KSA 5, S. 370 489

Personen, die früher einige Zeit der Onanie ergeben waren, ganz unnützer Wei-
se in Angst und Verzweiflung gebracht. Wer von der Onanie sobald als möglich
abläßt und seinen Körper bei heiterem Gemüthszustande und Ruhe der Ge-
schlechtsorgane durch richtige Ernährung (mit Hülfe nahrhafter, leichtverdau-
licher Kost, guter Luft und passender Bewegung) kräftigt, wird sehr bald die
nachtheiligen Folgen der Onanie schwinden sehen. Die Impotenz (das Unver-
mögen zum Beischlafe) bei Solchen, die früher Onanie getrieben haben, ist in
den allermeisten Fällen eine Folge der Melancholie und des Mißtrauens auf
ihre männliche Kraft, welches den meisten Onanisten eigen ist. Die Impotenz
verschwindet in der Ehe bei regelmäßigem Geschlechtsgenuß stets; niemals
wird sie durch Arzneien gehoben. [...] Am leichtesten führt zur Onanie: der
Müssiggang, Wohlleben, Verzärtelung und eine durch Romane, Statuen, Bil-
der, Theaterstücke, Bälle, Kunstreiter und Seiltänzer u. s. w. verdorbene Phan-
tasie. Die häufigste Gelegenheitsursache ist die Verführung durch Andere (be-
sonders auf Gymnasien, in Pensionen, Arbeits- und Zuchthäusern). Nicht ge-
nug kann vor heftigen und häufigen Ruthenhieben auf den Hintern
(zumal bei Knaben) gewarnt werden, weil diese nicht selten einen sehr großen
Reiz in den Zeugungstheilen (Erektion und selbst Samenausfluß) erregen und
so zur Onanie verleiten." (Bock 1870, 800 f.) Vgl. auch NK 348, 4.
370, 10 die Bogos sagen: „das Weib ist eine Hyäne"] Es handelt sich - vgl.
Thatcher 1989, 595 u. Stingelin 1991, 431 f. - um die Adaption eines Zitates, das
Albert Hermann Post in seinen von N. studierten Werken mindestens drei Mal
anbringt, nämlich in Post 1880-1881, 1, 67; Post 1880-1881, 1, 245 sowie Post
1884, 161. An allen drei Stellen wird das aus Werner Munzingers Ueber die
Sitten und das Recht der Bogos bezogene Zitat dazu verwendet, die (fehlende)
Rechtsstellung der Frau bei den Bogos, einem nordabessinischen Hirtenvolk
(heute Bilen oder Blin) auf jeweils ganz analoge Weise zu thematisieren. An
der einzigen von N. mit einem Randstrich markierten Stelle heißt es: „Die Wei-
ber stehen auf geschlechtsgenossenschaftlicher Stufe gänzlich ausserhalb des
Rechtsverbandes. Sie sind daher für Verbrechen niemals verantwortlich, wohl
aber haften ihre Blutsfreunde für das, was sie begangen. Das Recht der Bogos
hat den Grundsatz: die Frau ist eine Hyäne, sie hat weder Recht noch Pflicht,
kann daher auch wegen Mordes nie vor Gericht gezogen werden." (Post 1880-
1881, 1, 245. Die Vorlage dazu: „Die Frau, ob ledig oder verheirathet, ist rechts-
unfähig. Diess drückt der Grundsatz aus: Ogheina woga gen: Die Frau ist eine
Hyäne. Sie kann nicht erben, noch bürgen, noch zeugen, noch zum Eid ange-
halten werden. Sie hat keine Rechtsverantwortlichkeit. Sie hat weder Pflicht,
noch Recht. Eine Frau, des Mordes angeklagt, kann dafür niemals zu Gericht
gezogen werden." Munzinger 1859, 60) GM III 14 instrumentalisiert also einen
rein rechtsethnologischen Befund, um „das Weib" - bei Post und Munzinger
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften