Stellenkommentar GM III 26, KSA 5, S. 405-406 587
einhergehend mit der „Verödung des deutschen Geistes" (407, 32) und über-
bordendem Nationalismus.
Zur Kritik an der zeitgenössischen Historiographie in GM III 26 siehe Brob-
jer 2008c, 55 f., der in 408, 16-23 einen impliziten Bezug zur Ewigen Wieder-
kunft ausmacht, der jedoch nur schwer nachzuvollziehen ist.
405, 30 f. Ihr vornehmster Anspruch geht jetzt dahin, Spiegel zu sein] Dieses
Objektivitätsideal, reiner Spiegel zu sein, hat sich N. bei seiner Schopenhauer-
Lektüre markiert, vgl. NK 365, 18 f.
406, 5-9 Man sieht einen traurigen, harten, aber entschlossenen Blick, — ein
Auge, das hinausschaut, wie ein vereinsamter Nordpolfahrer hinausschaut
(vielleicht um nicht hineinzuschauen? um nicht zurückzuschauen?...)] Vgl. NK
KSA 5, 141, 31 f. und zum Thema der Einsamkeit bei N. im Vergleich mit Kierke-
gaard und Adorno siehe Rauh 2016.
406, lO f. „Umsonst!", „Nada!"] „Nada" ist das spanische Wort für „nichts",
das bei N. nur hier auftaucht. Es könnte ihm in Paul Bourgets Essais de psycho-
logie contemporaine begegnet sein, wo es über jene Werke Gustave Flauberts,
die antike Stoffe behandeln, heißt: „Comme le squelette du tableau de Goya
souleve la pierre de son tombeau, et de son doigt blanc ecrit ,Nada... — il n'y
a rien...,' les morts des civilisations anciennes se dressent devant les yeux evo-
cateurs du poete et viennent lui jurer qu'un meme neant etait au fond des
bonheurs d'alors" (Bourget 1883, 146, vgl. Marc Sautet in Nietzsche 1991, 60.
„Wie das Skelett auf dem Bilde von Goya seinen Grabstein aufhebt und mit
seinem weißen Finger schreibt: ,Nada... hier ist nichts ...,' so stehen die Toten
der Zivilisation vor den beschwörenden Blicken des Dichters auf und schwören
ihm, daß dasselbe Nichts dem Glücke der damaligen Welt zu Grunde liege, daß
dieselbe Verzweiflung und dieselbe Angst am Ende eines jeden Strebens stehen
und daß - ob nun barbarisch oder zivilisiert - der Mensch es nie verstanden
habe, die Welt seinem Herzen oder sein Herz der Welt anzupassen". Bourget
1903, 127).
406, 12 Petersburger Metapolitik und Tolstoi'sches „Mitleid"] Im Druckmanu-
skript steht stattdessen: „Petersburger Metaphysik und Dostoijewsky" (GSA 71/
27,2, fol. 61r); das wurde offensichtlich von N. erst in den (nicht erhaltenen)
Druckfahnen korrigiert. Es wäre die erste Nennung Dostojewskijs in einem
Werk N.s gewesen; nun taucht erst 1888 der Anfang 1887 gelesene, scheinbar
russischen Nihilismus repräsentierende Autor bei N. explizit auf (siehe NK
KSA 6, 50, 22-24; zu N. und Dostojewskij neuerdings Stellino 2015 und Moril-
las / Morillas 2016, explizit zu GM III 26 Morillas / Morillas 2016, 287, Fn. 49).
Auch St. Petersburg pflegt N. mit Nihilismus zu assoziieren, vgl. z. B. NK KSA 6,
einhergehend mit der „Verödung des deutschen Geistes" (407, 32) und über-
bordendem Nationalismus.
Zur Kritik an der zeitgenössischen Historiographie in GM III 26 siehe Brob-
jer 2008c, 55 f., der in 408, 16-23 einen impliziten Bezug zur Ewigen Wieder-
kunft ausmacht, der jedoch nur schwer nachzuvollziehen ist.
405, 30 f. Ihr vornehmster Anspruch geht jetzt dahin, Spiegel zu sein] Dieses
Objektivitätsideal, reiner Spiegel zu sein, hat sich N. bei seiner Schopenhauer-
Lektüre markiert, vgl. NK 365, 18 f.
406, 5-9 Man sieht einen traurigen, harten, aber entschlossenen Blick, — ein
Auge, das hinausschaut, wie ein vereinsamter Nordpolfahrer hinausschaut
(vielleicht um nicht hineinzuschauen? um nicht zurückzuschauen?...)] Vgl. NK
KSA 5, 141, 31 f. und zum Thema der Einsamkeit bei N. im Vergleich mit Kierke-
gaard und Adorno siehe Rauh 2016.
406, lO f. „Umsonst!", „Nada!"] „Nada" ist das spanische Wort für „nichts",
das bei N. nur hier auftaucht. Es könnte ihm in Paul Bourgets Essais de psycho-
logie contemporaine begegnet sein, wo es über jene Werke Gustave Flauberts,
die antike Stoffe behandeln, heißt: „Comme le squelette du tableau de Goya
souleve la pierre de son tombeau, et de son doigt blanc ecrit ,Nada... — il n'y
a rien...,' les morts des civilisations anciennes se dressent devant les yeux evo-
cateurs du poete et viennent lui jurer qu'un meme neant etait au fond des
bonheurs d'alors" (Bourget 1883, 146, vgl. Marc Sautet in Nietzsche 1991, 60.
„Wie das Skelett auf dem Bilde von Goya seinen Grabstein aufhebt und mit
seinem weißen Finger schreibt: ,Nada... hier ist nichts ...,' so stehen die Toten
der Zivilisation vor den beschwörenden Blicken des Dichters auf und schwören
ihm, daß dasselbe Nichts dem Glücke der damaligen Welt zu Grunde liege, daß
dieselbe Verzweiflung und dieselbe Angst am Ende eines jeden Strebens stehen
und daß - ob nun barbarisch oder zivilisiert - der Mensch es nie verstanden
habe, die Welt seinem Herzen oder sein Herz der Welt anzupassen". Bourget
1903, 127).
406, 12 Petersburger Metapolitik und Tolstoi'sches „Mitleid"] Im Druckmanu-
skript steht stattdessen: „Petersburger Metaphysik und Dostoijewsky" (GSA 71/
27,2, fol. 61r); das wurde offensichtlich von N. erst in den (nicht erhaltenen)
Druckfahnen korrigiert. Es wäre die erste Nennung Dostojewskijs in einem
Werk N.s gewesen; nun taucht erst 1888 der Anfang 1887 gelesene, scheinbar
russischen Nihilismus repräsentierende Autor bei N. explizit auf (siehe NK
KSA 6, 50, 22-24; zu N. und Dostojewskij neuerdings Stellino 2015 und Moril-
las / Morillas 2016, explizit zu GM III 26 Morillas / Morillas 2016, 287, Fn. 49).
Auch St. Petersburg pflegt N. mit Nihilismus zu assoziieren, vgl. z. B. NK KSA 6,