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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0054
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Stellenkommentar WA Vorwort, KSA 6, S. 11-12 35

148, 18) zu bedenken gibt, dass „Gesundheit und Krankheit [...] nicht(s)
wesentlich Verschiedenes)" seien, pflegt er die Krankheit, genauer: ihre Über-
windung, als Voraussetzung der „Gesundheit" anzusehen — bis hin zu GD
Pfeile und Sprüche 8, KSA 6, 60, 8 f.: „Was mich nicht umbringt, macht mich
stärker."
12, 17-23 Wenn ich mit dieser Schrift den Satz aufrecht halte, dass Wagner
schädlich ist, so will ich nicht weniger aufrecht halten, wem er trotzdem
unentbehrlich ist — dem Philosophen. Sonst kann man vielleicht ohne Wagner
auskommen: dem Philosophen aber steht es nicht frei, Wagner's zu entrathen.
Er hat das schlechte Gewissen seiner Zeit zu sein, — dazu muss er deren bestes
Wissen haben.] Während N. in 11, 14-17 mit einer platonisierenden Philosophie-
Konzeption kokettiert, wonach sich der Philosoph ganz aus der Verstrickung
in die Zeitlichkeit herauszunehmen habe, wird nun eine Funktionsbestimmung
gegeben, die demselben Philosophen eine wichtige Aufgabe innerhalb der Zeit
zuweist, in der er lebt. In GM II 16, KSA 5, 321, 29-32 bestimmte N. „das
schlechte Gewissen als die tiefe Erkrankung, welcher der Mensch unter dem
Druck jener gründlichsten aller Veränderungen verfallen musste, die er über-
haupt erlebt hat", nämlich seiner Zivilisierung, die es mit sich brachte, dass
sich die „Instinkte" nun statt nach außen nach innen zu richten begannen:
„dies ist das, was ich die Verinnerlichung des Menschen nenne: damit
wächst erst das an den Menschen heran, was man später seine ,Seele' nennt"
(KSA 5, 322, 23-25). Freilich führt dies N. nicht zu einer durchgehend negativen
Bewertung des „schlechten Gewissens"; vielmehr habe es „aktivisch [.]" „als
der eigentliche Mutterschooss idealer und imaginativer Ereignisse auch eine
Fülle von neuer befremdlicher Schönheit und Bejahung an's Licht gebracht
und vielleicht überhaupt erst die Schönheit..." (GM II 18, KSA 5, 326, 15-19)
Wenn N. in 12, 21 f. metaphorisch den „Philosophen" als „schlechtes Gewissen
seiner Zeit" charakterisiert, ist das nicht nur eine ironische Verbeugung vor
der Rolle des Provokateurs, die die Philosophen spätestens seit Sokrates
gespielt haben, sondern auch eine Übertragung der Analyse des schlechten
Gewissens aus GM auf die Erscheinungsweise des Philosophen. Dieser soll
ebenso wie das schlechte Gewissen in der menschlichen Frühgeschichte eine
Vertiefung und Intensivierung des Lebens herausfordern, womöglich zu einer
neuen „Bejahung" motivieren. Auf dem knappen Raum eines unscheinbaren
Vorwortes wird in WA die Aufgabe der Philosophie neu bestimmt: Die platoni-
sierende Orientierung am Überzeitlichen wird ausgeklammert zugunsten einer
bedeutsamen innerzeitlichen Wirksamkeit der Philosophen. N. nimmt damit
Überlegungen aus JGB 212, KSA 5, 145, 24-30 auf: „Bisher haben alle diese
ausserordentlichen Förderer des Menschen, welche man Philosophen nennt,
und die sich selbst selten als Freunde der Weisheit, sondern eher als unange-
 
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