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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0062
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Stellenkommentar WA 1, KSA 6, S. 13 43

nicht ihr zur Unschuld zurück verhelfen!" (UB IV WB 6, KSA 1, 463, 19-23; in
der von Marie Baumgartner übersetzten Version „avec l'autorisation de
l'auteur" heißt der Passus: „Et ici nous distinguons tout-ä-coup clairement la
täche que se propose l'art moderne: apathie ou ivresse! Endormir ou etourdir!
Rendre la conscience igno-/83/rante d'une maniere ou d'une autre! Aider ä
l'äme moderne, non ä retrouver son innocence, mais ä secouer le sentiment
de sa culpabilite!" Nietzsche 1877, 82 f. Hier fällt auch schon der später in JGB
254 benutzte, französische Ausdruck, vgl. NK KSA 6, 428, 2). Die Kunst stand
also bereits in N.s Frühwerk unter dem Vorzeichen des Verfalls; Wagner wurde
jedoch damals gerade als Mittel gegen diesen Verfall betrachtet, während er
jetzt als dessen prominentestes Symptom gilt. Von einer dreifachen Wirkung
der Wagnerschen Musik war N. auch schon 1876 ausgegangen, jedoch auch
hier unter positiven Vorzeichen: „Dagegen giebt Wagner, der Erste, welcher die
inneren Mängel des Wortdrama's erkannt hat, jeden dramatischen Vorgang in
einer dreifachen Verdeutlichung, durch Wort, Gebärde und Musik; und zwar
überträgt die Musik die Grundregungen im Innern der darstellenden Personen
des Drama's unmittelbar auf die Seelen der Zuhörer, welche jetzt in den Gebär-
den derselben Personen die erste Sichtbarkeit jener inneren Vorgänge und in
der Wortsprache noch eine zweite abgeblasstere Erscheinung derselben, über-
setzt in das bewusstere Wollen, wahrnehmen." (UB IV WB 9, KSA 1, 488, 24-
33) Diesen dreifachen Zugriff auf die Zuhörer durch Wort, Gebärde und Musik
hält N. 1888 eher für einen Beweis, wie sehr Wagner sein Publikum entmündi-
gen und zum Spielball seiner eigenen Interessen machen will.
13, 18 f. wie nachtheilig ist mir dieser Wagnerische Orchesterklang! Ich heisse
ihn Scirocco] Vgl. NK KSA 6, 169, 15 f. u. 169, 20-23.
13, 22-24 Sie kommt leicht, biegsam, mit Höflichkeit daher. Sie ist liebenswür-
dig, sie schwitztnicht.] Dagegen schwitzen Wagners Werke — oder sie bringen
die Zuschauer durch den geballten Angriff auf die Sinne zum Schwitzen: „Ein
verdriesslicher Schweiss bricht an mir aus." (13, 19 f.) Schweiß, Transpiration
ist bei N. (abgesehen von Fieber und Angst) mit körperlicher Arbeit, mit Unvor-
nehmheit assoziiert, vgl. M Vorrede 5: „mitten in einem Zeitalter der ,Arbeit',
will sagen: der Hast, der unanständigen und schwitzenden Eilfertigkeit" (KSA
3, 17, 24 f.). Die Höflichkeit bildet das Gegenstück zur schwitzenden Unvor-
nehmheit. Vgl. auch NK KSA 6, 111, llf.
13, 24 f. „Das Gute ist leicht, alles Göttliche läuft auf zarten Füssen": erster
Satz meiner Aesthetik.] Vgl. NK 37, 12-19 u. KSA 6, 90, 8-11. N.s Kunstfigur
Zarathustra, der sich so gut aufs Tanzen versteht, macht die Leichtfüßigkeit
zum Kriterium dafür, dass man ihm zuhöre (Za IV Das Abendmahl, KSA 4, 354,
33 f.). Die Leichtfüßigkeit, die N. in WA Bizet zuschreibt, gilt Zarathustra als
 
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