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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0108
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Stellenkommentar WA 6, KSA 6, S. 23-24 89

nämlich als Autobiographische Skizze am Anfang des ersten Bandes seiner
Gesammelten Schriften und Dichtungen. Dort heißt es: „Ich war damals in mei-
nem sechzehnten Jahre, und zumal durch die Lektüre Hoffmann's zum tollsten
Mystizismus aufgeregt: am Tage, im Halbschlafe hatte ich Visionen, in denen
mir Grundton, Terz und Quinte leibhaft erschienen und mir ihre wichtige
Bedeutung offenbarten: was ich aufschrieb, starrte von Unsinn." (Wagner 1871-
1873, 1, 10 = Wagner 1907, 1, 6).
24, 1 Pulchrum est paucorum hominum.] Vgl. NK KSA 6, 107, 28 f.
24, 3-6 Wozu also Schönheit? Warum nicht lieber das Grosse, das Erhabne,
das Gigantische, Das, was die Massen bewegt? — Und nochmals: es ist leich-
ter, gigantisch zu sein als schön] Hier klingt eine Kritik an, die vor N. schon
geäußert wurde: „II ne supporte aussi que la pression des jouissances artisti-
ques moderees, et dans l'oeuvre de Wagner tout est gigantesque, incommensu-
rable. Les beautes grandioses sont ecrasantes; les interminables longueurs
nous torturent et nous epuisent" (Lindau 1885, 167). Es handelt sich um die
Übersetzung eines ursprünglich auf Deutsch erschienenen Artikels aus der von
Lindau mitherausgegebenen Zeitschrift Nord und Süd, Bd. 17 (1881), S. 394: „Er
duldet aber auch nur den Druck mäßiger Kunstfreuden, und in dem Wag-
ner'schen Werke ist alles gigantisch und maßlos. Erdrückend sind die großarti-
gen Schönheiten, erschöpfend und folternd die endlosen Längen und Breiten".
In N.s Bibliothek hat sich zwar kein Werk von Lindau erhalten; die Notiz NL
1882, KSA 10, 2[3], 43, 4 scheint sich jedoch auf Lindaus Nüchterne Briefe aus
Bayreuth zu beziehen, die in Lindaus französischen Wagner-Sammelband von
1885 eingearbeitet sind.
Während N. das Wort „gigantisch" sonst im Zusammenhang mit Wagner
nicht braucht, findet es doch Verwendung in der französischen Übersetzung,
die Marie Baumgartner von N.s Vierter unzeitgemässer Betrachtung: Richard
Wagner in Bayreuth angefertigt hat. Dort ist dann die Rede vom „gigantesque
edifice projete et commence bien auparavant, le but de toutes ses pensees
pendant vingt ans, son oeuvre de Bayreuth, l'Anneau du Niebelung [sic]!"
(Nietzsche 1877, 124. Im Original lautet die Stelle: „den vor ihnen entworfenen
und begonnenen viertheiligen Riesenbau mit gemessener Eile zu Ende zu thür-
men, sein Sinnen und Dichten durch zwanzig Jahre hindurch, sein Bayreuther
Kunstwerk, den Ring des Nibelungen!" UB IV 8, KSA 1, 479, 32-480, 2).
24, 6 es ist leichter, gigantisch zu sein als schön] Dieser Sentenz bediente sich
auch der vormalige Vorstandschef des Porsche-Konzerns Wendelin Wiedeking
zur Charakterisierung, „um den besonderen Anlass" — nämlich die Hauptver-
sammlung seines Konzerns „zu adeln" (Wassink 2007). In dem von Wiedeking
verantworteten Buch Das Davidprinzip nimmt Martin Walser den Satz 24, 6
 
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