148 Der Fall Wagner
tel von decadents eignen, die der Welt ihre Dekadenz verhehlen und diese Welt
auf Wagnersche Weise betrügen wollen.
35, 6 f. Das System von Prozeduren, das Wagner handhabt] Bellaigue 1885, 463
spricht von „systeme wagnerien".
35, 8 wer Ohren hat, der höre] N. benutzt diese Wendung recht häufig (FW
234, KSA 3, 512, 20 f.; Za III Vom Gesicht und Räthsel 1, KSA 4, 199, 15 f.; Za
III Von den Abtrünnigen 2, KSA 4, 230, 16; Za III Von alten und neuen Tafeln
16, KSA 4, 258, 31) und verkürzt damit einen Spruch aus den synoptischen
Evangelien: „Wer Ohren hat zu hören, der höre" (Matthäus 11, 15 [Die Bibel:
Neues Testament 1818, 15, Lesespur N.s], Matthäus 13, 9; vgl. Markus 7, 16 und
Lukas 8, 18a) bzw. aus der Apokalypse: „Wer Ohren hat, der höre, was der
Geist den Gemeinen sagt" (Offenbarung 2, 7, 11 u. 29). Vgl NK KSA 6, 58, l f.
35, 18 der Rest ist — „Litteratur."] Paul Verlaine beschließt seinen 1874 im
Gefängnis verfassten Art poetique mit der Strophe: „Que ton vers soit la bonne
aventure / Eparse au vent crispe du matin / Qui va fleurant la menthe et le
thym... / Et tout le reste est litterature." (Verlaine 1884, 25. „Möge dein Vers
das geglückte Abenteuer sein / zerstreut im Wind, noch klamm vom Morgen /
nach Minze und Thymian riechend... / Und der ganze Rest ist Literatur." Zu
einer anderen möglichen Anspielung auf Verlaines Gedicht siehe NK KSA 6,
265, 34-266, 1). Explizit nimmt N. nie auf Verlaine Bezug, aber gewiss gehörte
der französische Dichter für N. zu den Repräsentanten der Pariser decadence,
wenn er denn von ihm Kenntnis hatte. In den in N.s Bibliothek erhaltenen,
literaturkritischen Werken kommt Verlaine kaum vor (en passant bei Houssaye
1886, 165). Verlaines Verszeile und N.s Ausspruch in 35, 18 spielen auf Hamlets
letzte Worte an: „The rest is silence." (Shakespeare: Hamlet, 5. Akt, 2. Szene.
„Der Rest ist Schweigen." Shak[e]speare 1853-1855, 4, 490), die N. in EH
Warum ich so weise bin 3 auch direkt zitiert (siehe NK KSA 6, 268, 29). N.
liebt daran angelehnte Formulierungen, vgl. z. B. GD Die „Vernunft" in der
Philosophie 3, KSA 6, 76, 4 f. und AC Vorwort, KSA 6, 168, 1. Auch die von
ihm selbst produzierte „Litteratur" setzt N. 1888 zum „Rest von Litteratur" ins
Verhältnis: Beim Umgang mit Wagner ist das in 35, 18 noch ironisch gemeint,
in EH Warum ich so gute Bücher schreibe 1, KSA 6, 299, 11-16 hingegen bitter
ernst: „Noch in diesem Sommer, zu einer Zeit, wo ich vielleicht mit meiner
schwerwiegenden, zu schwer wiegenden Litteratur den ganzen Rest von Litte-
ratur aus dem Gleichgewicht zu bringen vermöchte, gab mir ein Professor der
Berliner Universität wohlwollend zu verstehn, ich sollte mich doch einer
andren Form bedienen: so Etwas lese Niemand."
35, 26 f. so redet kein Musiker] Wagner selbst hatte in seinem Offenen Schrei-
ben an Herrn Friedrich Schön in Worms von 1882 in einem Anflug von Selbstiro-
tel von decadents eignen, die der Welt ihre Dekadenz verhehlen und diese Welt
auf Wagnersche Weise betrügen wollen.
35, 6 f. Das System von Prozeduren, das Wagner handhabt] Bellaigue 1885, 463
spricht von „systeme wagnerien".
35, 8 wer Ohren hat, der höre] N. benutzt diese Wendung recht häufig (FW
234, KSA 3, 512, 20 f.; Za III Vom Gesicht und Räthsel 1, KSA 4, 199, 15 f.; Za
III Von den Abtrünnigen 2, KSA 4, 230, 16; Za III Von alten und neuen Tafeln
16, KSA 4, 258, 31) und verkürzt damit einen Spruch aus den synoptischen
Evangelien: „Wer Ohren hat zu hören, der höre" (Matthäus 11, 15 [Die Bibel:
Neues Testament 1818, 15, Lesespur N.s], Matthäus 13, 9; vgl. Markus 7, 16 und
Lukas 8, 18a) bzw. aus der Apokalypse: „Wer Ohren hat, der höre, was der
Geist den Gemeinen sagt" (Offenbarung 2, 7, 11 u. 29). Vgl NK KSA 6, 58, l f.
35, 18 der Rest ist — „Litteratur."] Paul Verlaine beschließt seinen 1874 im
Gefängnis verfassten Art poetique mit der Strophe: „Que ton vers soit la bonne
aventure / Eparse au vent crispe du matin / Qui va fleurant la menthe et le
thym... / Et tout le reste est litterature." (Verlaine 1884, 25. „Möge dein Vers
das geglückte Abenteuer sein / zerstreut im Wind, noch klamm vom Morgen /
nach Minze und Thymian riechend... / Und der ganze Rest ist Literatur." Zu
einer anderen möglichen Anspielung auf Verlaines Gedicht siehe NK KSA 6,
265, 34-266, 1). Explizit nimmt N. nie auf Verlaine Bezug, aber gewiss gehörte
der französische Dichter für N. zu den Repräsentanten der Pariser decadence,
wenn er denn von ihm Kenntnis hatte. In den in N.s Bibliothek erhaltenen,
literaturkritischen Werken kommt Verlaine kaum vor (en passant bei Houssaye
1886, 165). Verlaines Verszeile und N.s Ausspruch in 35, 18 spielen auf Hamlets
letzte Worte an: „The rest is silence." (Shakespeare: Hamlet, 5. Akt, 2. Szene.
„Der Rest ist Schweigen." Shak[e]speare 1853-1855, 4, 490), die N. in EH
Warum ich so weise bin 3 auch direkt zitiert (siehe NK KSA 6, 268, 29). N.
liebt daran angelehnte Formulierungen, vgl. z. B. GD Die „Vernunft" in der
Philosophie 3, KSA 6, 76, 4 f. und AC Vorwort, KSA 6, 168, 1. Auch die von
ihm selbst produzierte „Litteratur" setzt N. 1888 zum „Rest von Litteratur" ins
Verhältnis: Beim Umgang mit Wagner ist das in 35, 18 noch ironisch gemeint,
in EH Warum ich so gute Bücher schreibe 1, KSA 6, 299, 11-16 hingegen bitter
ernst: „Noch in diesem Sommer, zu einer Zeit, wo ich vielleicht mit meiner
schwerwiegenden, zu schwer wiegenden Litteratur den ganzen Rest von Litte-
ratur aus dem Gleichgewicht zu bringen vermöchte, gab mir ein Professor der
Berliner Universität wohlwollend zu verstehn, ich sollte mich doch einer
andren Form bedienen: so Etwas lese Niemand."
35, 26 f. so redet kein Musiker] Wagner selbst hatte in seinem Offenen Schrei-
ben an Herrn Friedrich Schön in Worms von 1882 in einem Anflug von Selbstiro-