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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0178
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Stellenkommentar WA 11, KSA 6, S. 38 159

wer steht mir eigentlich näher, die Mars-Bewohner oder die Phrasirung?" (KSB
8, Nr. 1101, S. 409, Z. 12-16, vgl. Nr. 1100, S. 408).
Die Äußerung über Riemann in WA 11, KSA 6, 38, 11-15 versteht N. übrigens
als ein Lob, wie aus seinem Brief an Fuchs vom 24. 07. 1888 hervorgeht: „Es
findet sich, anbei gesagt, ein sehr ehrendes Wort für Riemann darin [sc. in
WA]: obwohl sonst nicht gerade Ehren ausgetheilt werden..." (KSB 8, Nr. 1079,
S. 368, Z. 9-11) Nach der Kritik in seinem Brief vom 26. 08. 1888 hatte er ange-
fügt: „Moral: Sie [sc. Fuchs] sind mit Riemann ganz und gar auf dem ,rechten
Wege' — dem einzigen nämlich den es noch giebt..." (KSB 8, Nr. 1096,
S. 401, Z. 98 f.) — so man denn, wird man ergänzen, nicht die Umwertung aller
Werte vollzieht und sich aus der decadence befreit. Sehr eingehend behandelt
N.s Auseinandersetzung mit Riemann und Fuchs in Belangen der Rhythmik
und Phrasierung als decadence-Kritik Schellong 1984.
38, 28-30 man verlangt das Schwerste, man tadelt hart, man lobt selten, —
das Gute, das Ausgezeichnete gilt als Regel] In NL 1888, KSA 13, 14[161], 346
(korrigiert nach KGW IX 8, W II 5, 44, 48-58; im Folgenden ohne die durchge-
strichenen Passagen wiedergegeben) reflektiert N. über die „gute Schule",
die als „harte Schule" die Persönlichkeit bildet: „Das Wünschenswertheste
bleibt unter allen Umständen eine harte Disciplin, zur rechten Zeit, das
heißt in jenem Alter noch, wo es stolz macht, viel von sich verlangt zu sehen.
Denn dies unterscheidet die harte Schule als gute Schule von jeder anderen:
daß Viel verlangt wird; daß streng verlangt wird; daß das Gute, das Ausge-
zeichnete selbst als normal verlangt wird; daß das Lob selten ist, daß (die)
Indulgenz fehlt; daß der Tadel scharf, sachlich, ohne Rücksicht auf Talent und
Herkunft laut wird." (KSA 13, 346, 11-19) Nimmt man diese Aufzeichnung zur
Erhellung der positiven Äußerungen über die „Sphäre" (38, 23) Wagners in WA
11 hinzu, so ergibt sich daraus zwar eine Hochschätzung ihres pädagogischen
Effektes — den sie bekanntlich auch auf N. selbst nicht verfehlt hat. Die Auf-
zeichnung 14[161] spricht aber weiter davon, dass die fragliche „harte Disci-
plin" sowohl Militärs als auch Gelehrten zuträglich sei — wobei beide soziale
Gruppen offensichtlich typische Herdentiereigenschaften aufweisen: „in Reih
und Glied stehen, aber fähig jeder Zeit, voranzugehen" (KSA 13, 346, 25 = KGW
IX 8, W II 5, 45, 29-32, hier ohne duchgestrichene Passagen wiedergegeben):
„Was lernt man in einer harten Schule? Gehorchen und Befehlen" (ebd., 29 f.,
korrigiert nach KGW IX 8, W II 5, 45, 38-40). Im Fortgang von WA 11 wird diese
ambivalente Einschätzung des Nutzens einer „harten Disciplin" zu einer Kritik
am preußischen Militarismus verdichtet: „Gehorsam und lange Beine" (39, 5
u. 8.): „Nie ist besser gehorcht, nie besser befohlen worden. Die Wagnerischen
Kapellmeister in Sonderheit sind eines Zeitalters würdig, das die Nachwelt ein-
mal mit scheuer Ehrfurcht das klassische Zeitalter des Kriegs nen-
 
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