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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0238
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Stellenkommentar GD Vorwort, KSA 6, S. 57-58 219

Klopfen [...]. Beim Beklopfen eines Körperteils läßt sich an der Art des Schalles,
welcher erzeugt wird, erkennen, ob der perkutierte Teil Luft enthält oder nicht.
[...] Da aber die festen, luftleeren Organe der Brust- und Bauchhöhle meist
zwischen lufthaltigen liegen ([...]), so läßt sich durch die P. die Lage und Größe
der erstern und /851/ also auch der letztem mit ziemlicher Genauigkeit erfor-
schen. Beim Perkutieren lufthaltiger Teile hängt die Beschaffenheit des Perkus-
sionsschalles, abgesehen von der Art und Stärke des Perkutierens, hauptsäch-
lich von der Menge der Luft sowie vom Zustand der um diese Luft befindlichen
Wand ab. Demnach ergeben sich Unterschiede des Perkussionsschalles hin-
sichtlich seiner Völle, seiner Helligkeit, Dämpfung, seines Klanges und seiner
Höhe." (Meyer 1885-1892, 12, 850 f.) Über die verschiedenen Körperzonen, bei
denen Auskultation und Perkussion diagnostisch eingesetzt werden, konnte
sich N. beispielsweise im Compendium der praktischen Medicin (Kunze 1881)
oder im Buch vom gesunden und kranken Menschen (Bock 1870) kundig
machen. Im Blick auf die „geblähten Eingeweide" vermerkt Volz 1990, 136:
„Der tympanitische Klopfschall bei aufgeblähtem (durch Gase aufgetriebenem)
Abdomen, hervorgerufen durch das Perkussions-Hämmerchen, gilt hier als das
verräterische Symptom, das zur Diagnose führt". N. greift die Eingeweide-Meta-
pher in EH Warum ich so klug bin 1, KSA 6, 280, 2-5 auf. Zu seinen medizini-
schen Lektüren vgl. neben Volz 1990 auch Moore 2004. Ohne all diesen gelehr-
ten Ballast ließe sich das in 57, 22 f. beschriebene Phänomen auch einfach als
Flatulenz und der „berühmte hohle Ton" als Flatus verstehen.
58, I f. welches Entzücken für Einen, der Ohren noch hinter den Ohren hat] N.
benutzt die Formulierung „Wer Ohren hat, der höre" recht häufig (FW 234,
KSA 3, 512, 20 f.; Za III Vom Gesicht und Räthsel 1, KSA 4, 199, 15 f.; Za III Von
den Abtrünnigen 2, KSA 4, 230, 16; Za III Von alten und neuen Tafeln 16, KSA
4, 258, 31; WA 10, KSA 6, 35, 8) und verkürzt damit zwei neutestamentliche
Wendungen in Luthers Übersetzung: „Wer Ohren hat zu hören, der höre" (Mat-
thäus 11, 15 [Die Bibel: Neues Testament 1818, 15, Lesespur N.s], Matthäus 13,
9; vgl. Markus 7, 16 und Lukas 8, 18a [Die Bibel: Neues Testament 1818, 15,
Lesespur N.s]) bzw.: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinen
sagt" (Offenbarung 2, 7, 11 u. 29 [Die Bibel: Neues Testament 1818, 291 f.]). In
den Werken der achtziger Jahre pflegt N. das Verstehen-Können in Metaphern
der akustischen Wahrnehmung zu kleiden; bloßes Hören und einfache Ohren
reichen jedoch nicht; man benötigt entweder Zarathustras Ohren — „Doch was
rede ich, wo Niemand meine Ohren hat!" (Za III Von der verkleinernden
Tugend 3, KSA 4, 216, 6 u. 216, 32) — oder aber Ohren hinter den Ohren, um
das Höhere, das Verborgene, womöglich das Ungesagte verstehen zu können
(vgl. Benne 2005b, 187 u. 200; zu N.s „Hörphilosophie" auch Sträßner 2003,
81-96). Selbst nimmt N. für sich freilich „die kleinsten Ohren" in Anspruch
 
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