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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0260
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Stellenkommentar GD Sprüche, KSA 6, S. 61 241

Schriften und Nachlass gelegentlich auf: in Gestalt des „Nichts" als „indische
Circe" (WA 4, KSA 6, 20, 34 u. 21, 1), in der Gestalt der Musik bei Wagner (WA
Nachschrift, KSA 6, 43, 13) und dann vor allem in der Gestalt der Moral: „Die
Circe der Menschheit, die Moral, hat alle psychologica in Grund und Boden
gefälscht" (EH Warum ich so gute Bücher schreibe 5, KSA 6, 305, 21 f.; vgl.
schon M Vorrede 3 [1886], KSA 3, 13, 13-17). Die Kunst selbst erscheint in 61,
20 als die zauberische Verführerin, die die echten Künstler für alle sonst nicht
erlangten Güter — außer dem unmittelbaren Lebensunterhalt — hinreichend
entschädigt.

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61, 22-62, 2 Wer seinen Willen nicht in die Dinge zu legen weiss, der legt
wenigstens einen Sinn noch hinein: das heisst, er glaubt, dass ein Wille bereits
darin sei (Princip des „Glaubens").] Vgl. NL 1888, KSA 13, 15[118], 479, 12-14.
Die religionskritische Überlegung geht zurück auf eine längere Notiz, die das
Problem, in die Dinge einen Willen hineinzulegen, im Horizont des Nihilismus
verhandelt, der sich gerade durch Willensschwäche, die Schwäche, den Dingen
den eigenen Willen aufzuprägen, auszeichnet: „Fiktion einer Welt, wel-
che unseren Wünschen entspricht, psychologische Kunstgriffe und Interpreta-
tionen, um alles, was wir ehren und als angenehm empfinden, mit dieser
wahren Welt zu verknüpfen. / ,Wille zur Wahrheit' auf dieser Stufe ist
wesentlich Kunst der Interpretation; wozu immer noch Kraft der Inter-
pretation gehört. / Dieselbe Species Mensch, noch eine Stufe ärmer gewor-
den, nicht mehr im Besitz der Kraft zu interpretiren, des Schaffens
von Fiktionen, macht den Nihilisten. Ein Nihilist ist der Mensch, welcher
von der Welt, wie sie ist, urtheilt, sie sollte nicht sein und von der Welt, wie
sie sein sollte, urtheilt sie existirt nicht. Demnach hat dasein (handeln, leiden,
wollen, fühlen) keinen Sinn: das Pathos des ,Umsonst' ist das Nihilisten-
Pathos — zugleich noch als Pathos eine Inconsequenz des Nihilisten / Wer
seinen Willen nicht in die Dinge zu legen vermag, der Willens- und Kraftlose,
der legt wenigstens noch einen Sinn hinein: d. h. den Glauben, daß schon
ein Wille darin sei, der in den Dingen wirken und wollen soll. / Es ist ein
Gradmesser von Willenskraft, wie weit man des Sinnes in den Dingen
entbehren kann, wie weit man in einer sinnlosen Welt zu leben aushält: weil
man ein kleines Stück von ihr selbst organisirt." (NL 1887, KSA
12, 9[60], 366, 5-30, korrigiert nach KGW IX 6, W II 1, 100, 24-48 u. 97, 2-12,
hier ohne durchgestrichene Passagen wiedergegeben).
 
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