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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0320
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Stellenkommentar GD Vernunft, KSA 6, S. 77-78 301

er hat ja jedes Wort für sich, jeden Satz für sich, den wir sprechen! — Auch die
Gegner der Eleaten unterlagen noch der Verführung ihres Seins-Begriffs: Demo-
krit unter Anderen, als er sein Atom erfand...] Als direkte Vorlage zu dieser
Stelle über Demokritos von Abdera (ca. 460-370 v. Chr.) ist Brochard 1887, 8
wahrscheinlich: „Comme Parmenide, Democrite oppose la verite ä l'opinion et
declare que ce qui apparait aux sens n'existe pas reellement. Ce qui existe, ce
sont uniquement les atomes; le chaud et le froid, le doux et l'amer, la couleur
n'ont pas de realite. ,La verite, dit-il encore, est profondement cachee', et il
insiste tellement sur ce point, que souvent on l'a pris pour un sceptique."
(„Wie Parmenides stellt auch Demokrit die Wahrheit der Meinung entgegen
und erklärt, dass das, was die Sinne wahrnehmen, nicht wirklich existiert.
Das, was existiert, sind nur die Atome; das Kalte und das Warme, das Süße
und das Bittere, die Farbe haben keine Realität. ,Die Wahrheit', sagt er außer-
dem, ,ist tief versteckt', und in diesem Punkt insistiert er so stark, dass man
ihn oft für einen Skeptiker gehalten hat.") In NK 74, 17-22 ist die unmittelbar
vorausgehende, gleichfalls einschlägige Passage zitiert. Brochard 1887, 9 f.
behandelt Demokrits atomistischen Dogmatismus noch etwas ausführlicher,
während Liebmann 1882, 104-106 die ontologischen Voraussetzungen des Ato-
mismus bei Demokrit und Epikur aufweisen will: „Der demokritisch-epikurei-
sche Anarchismus [sc. der Atome], wie man ihn sich gewöhnlich denkt, und
ebenso seine Nachkömmlinge in moderner Zeit, befinden sich, sofern sie die
Herrschaft des Allgemeinen über das Einzelne gänzlich ableugnen zu können
glauben, in einer handgreiflichen Selbsttäuschung. Stillschweigend müssen sie
entweder mit Platon nomokratische, oder mit Aristoteles idiotypische Voraus-
setzungen machen." (Liebmann 1882, 105. Von N. mit Randstrich markiert; von
ihm Unterstrichenes kursiviert) Die „metaphysische Atomistik" der Antike
(ebenso wie die gegenwärtige) kritisiert Nägeli 1884, 605: „Von dem philoso-
phischen Atom zur realen Welt gähnt eine Kluft, deren Ueberschreitung um so
mehr als eine Unmöglichkeit eingesehen wird, je schärfer wir einerseits das
Atom zu fassen suchen und je tiefer wir andrerseits in die Erkenntniss der
realen Welt eindringen."
Die Verbindung von Atomismus und Anarchie findet sich in NL 1885/86,
KSA 12, 2[87], 104 (KGW IX 5, W I 8, 129, 4-34), während NL 1887/88, KSA 13,
11[73], 36, 10-13 (KGW IX 7, W II 3, 167, 6-10) die ontologischen Projektionen
unterminiert: „es giebt keine dauerhaften letzten Einheiten, keine Atome,
keine Monaden: auch hier ist ,das Seiende' erst von uns hineingelegt, (aus
praktischen, nützlichen perspektivischen Gründen)." Auch bei Höffding 1887,
73 und 76 sowie Roberty 1887, 8 gibt es Äußerungen zu Demokrit, zum antiken
Materialismus und Atomismus, die N. im Vorfeld von GD gelesen hat, die aber
doch recht unspezifisch wirken. Vgl. NK 91, 27-29 und NK KSA 6, 27, 23.
 
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