Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0326
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar GD Fabel, KSA 6, S. 79-80 307

wandellosen Zusammenhange ruht; sie ist ewig, wenn ich das All in mein
Eigenthum, omnia in mea, verwandle und von diesen omnia mea jeden Augen-
blick sagen kann ,mecum porto' / Im tract. de intell. emendatione Op. II p. 413.
,Ich habe den Entschluß gefaßt zu untersuchen, ob sich etwas finden ließe,
dessen Besitz mir den Genuß einer dauernden und höchsten Freude ewig
gewährte.' ,Die Liebe zu einem ewigen und unendlichen Wesen erfüllt das
Gemüth mit einer Freude, die jede Art Trauer ausschließt.' ,Das höchste Gut
ist die Erkenntniß der Einheit unseres Geistes mit dem Universum.'" Es
handelt sich bei diesem Passus um ein weitgehend wörtliches Exzerpt aus dem
Spinoza-Band von Kuno Fischers Geschichte der neuern Philosophie (Fischer
1865, 2, 540).
80, 8-12 2. Die wahre Welt, unerreichbar für jetzt, aber versprochen für den
Weisen, den Frommen, den Tugendhaften („für den Sünder, der Busse thut"). /
(Fortschritt der Idee: sie wird feiner, verfänglicher, unfasslicher, — sie wird
Weib, sie wird christlich...)] Dass die Wahrheit ein Weib sei, setzt N. in JGB
Vorrede, KSA 5, 11, 2 voraus, während Wagner noch gesagt hatte, dass die
Musik ein Weib sei, vgl. NK KSA 6, 424, 17. In 80, 8-12 entzieht die Verjenseiti-
gung die „wahre Welt" nun dem direkten Zugriff der Tugend; sie wird zum
Gegenstand religiös-institutioneller Verwaltung und Zuteilung. Hatte N. in sei-
nem Brief vom 31. 03. 1885 an Overbeck das Christentum (wie Augustinus es
vertrat) noch als „Verpöbelte[n] Platonismus" (KSB 7, Nr. 589, S. 34,
Z. 52) gebrandmarkt, erscheint es hier als Verfeinerung einer ursprünglich
recht groben, Platonischen Konzeption — wobei diese Verfeinerung wie die
Kantische in 80, 13-18 eigentlich nur eine weitere Dekadenzstufe darstellt.
Schon Teichmüller 1879, 399 f. hatte Spinoza ebenso wie den Deutschen Idea-
lismus als minderwertige Schwundstufe des Platonismus angesehen.
80, 13-18 3. Die wahre Welt, unerreichbar, unbeweisbar, unversprechbar, aber
schon als gedacht ein Trost, eine Verpflichtung, ein Imperativ. / (Die alte Sonne
im Grunde, aber durch Nebel und Skepsis hindurch; die Idee sublim geworden,
bleich, nordisch, königsbergisch.)] Zu 80, 13-18 gibt es in W II 5, 64 f. die Vari-
ante: „Die wahre Welt, unerreichbar, für jetzt, vielleicht auch nicht versprech-
bar, aber schon als geglaubt ein Trost, ein Ausruhen, eine Erlösung (die Idee
sublim geworden, geisterhaft; Reflexlicht von Ehedem, eine Mitternacht für
Metaphysiker und andere Hyperboreer) [...] Die wahre Welt: ewig unerreichbar,
aber Gegenstand der höchsten Verehrung und Hoffnung." (KGW IX 8, W II 5,
64, 22-28-65, 48-50, vgl. KSA 14, 415) Dieselbe Passage lautet in der von N.
überarbeiteten Version: „Die wahre Welt, unerreichbar, unbeweisbar, unver-
sprechbar, aber schon als gedacht ein Trost, ein(e) Verpflichtung, ein Impera-
tiv, ein Ausruhen, eine Erlösung (die Idee sublim geworden; bleich, nordisch,
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften