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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0345
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326 Götzen-Dämmerung

Lehren gewahrt wissen will." Zu N.s Instinktbegriff vgl. NK 90, 3-8. An anderer
Stelle scheint N. die Verbindung von Natur und Moral ganz preiszugeben, vgl.
NK 98, 6-8.
85, 26 „Gott sieht das Herz an"] Die sprichwörtliche Wendung, die sich an
Lukas 16, 15 anlehnt, ist weit verbreitet und wird gerne erweitert (vgl. z. B.
Hebel 1838, 89: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, aber Gott sieht das Herz
an"). Sie begegnet N. auch in der theologiegeschichtlichen Literatur (Reuter
1887, 411 — das Werk steht auf einer Lektüreliste in NL 1887, KSA 12, 10[120],
526, 25 = KGW IX 6, W II 2, 56, 2-6) und in der philosophischen Literatur
(Romundt 1885a, 139).
85, 27 f. Gott als Feind des Lebens...] Dazu äußert sich N. ausführlich in
AC 16 bis 19, KSA 6, 182-185.
85, 28 f. Der Heilige, an dem Gott sein Wohlgefallen hat, ist der ideale Castrat...]
Vgl. Matthäus 12, 18, zum Kastraten NK 83, 2-4. Schopenhauer (Die Welt als
Wille und Vorstellung, Bd. 1, Buch 5, § 68) hatte bekanntlich im Ideal der Heilig-
keit, das Willensverleugnung impliziert, gerade etwas ethisch Vorbildliches
gesehen: „Vielleicht ist also hier zum ersten Male, abstrakt und rein von allem
Mythischen, das innere Wesen der Heiligkeit, Selbstverleugnung, /453/ Ertöd-
tung des Eigenwillens, Askesis, ausgesprochen als Verneinung des Wil-
lens zum Leben, eintretend, nachdem ihm die vollendete Erkenntniß sei-
nes eigenen Wesens zum Quietiv alles Wollens geworden. Hingegen
unmittelbar erkannt und durch die That ausgesprochen haben es alle jene
Heiligen und Asketen, die, bei gleicher innerer Erkenntniß, eine sehr verschie-
dene Sprache führten, gemäß den Dogmen, die sie einmal in ihre Vernunft
aufgenommen hatten und welchen zufolge ein Indischer Heiliger, ein Christli-
cher, ein Lamaischer, von seinem eigenen Thun, jeder sehr verschiedene
Rechenschaft geben muß, was aber für die Sache ganz gleichgültig ist. Ein
Heiliger kann voll des absurdesten Aberglaubens seyn, oder er kann umgekehrt
ein Philosoph seyn: beides gilt gleich. Sein Thun allein beurkundet ihn als
Heiligen: denn es geht, in ethischer Hinsicht, nicht aus der abstrakten, son-
dern aus der intuitiv aufgefaßten, unmittelbaren Erkenntniß der Welt und ihres
Wesens hervor, und wird von ihm nur zur Befriedigung seiner Vernunft durch
irgend ein Dogma ausgelegt." (Schopenhauer 1873-1874, 2, 452 f.) N. zeigt im
Frühwerk durchaus Sympathien mit Schopenhauers Heiligkeitskonzept, vgl.
z. B. NK KSA 1, 68, 28 f.
85, 29 f. Das Leben ist zu Ende, wo das „Reich Gottes" anfängt...] Der zen-
trale biblische, insbesondere neutestamentliche Begriff vom Reich Gottes
(ßaoiÄeia tov 0eov) ist in N.s Spätwerken, wie schon in GM I 15, KSA 5, 283,
 
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