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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0359
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340 Götzen-Dämmerung

sondern etwa in Die Welt als Wille und Vorstellung (Bd. 1, Buch 3, § 52) auch
zur Musik schreibt, „daß unsere Phantasie so leicht durch sie erregt wird und
nun versucht, jene ganz unmittelbar zu uns redende, unsichtbare und doch so
lebhaft bewegte Geisterwelt zu gestalten" (Schopenhauer 1873-1874, 2, 309).
91, 14-18 Die älteste und längste Psychologie war hier am Werk, sie hat gar
nichts Anderes gethan: alles Geschehen war ihr ein Thun, alles Thun Folge eines
Willens, die Welt wurde ihr eine Vielheit von Thätern, ein Thäter (ein „Subjekt")
schob sich allem Geschehen unter.] In Jean-Marie Guyaus Werk L'irreligion de
Tavenir, das N. intensiv durchgearbeitet hat (vgl. NPB 271-272), besteht in der
Voluntarisierung natürlicher Kräfte die ursprüngliche Naturerklärung des Men-
schen und damit ein Ursprung der Religion: „En resume, la conception la plus
simple, la plus primitive que l'homme puisse se former de la nature, c'est d'y
voir non pas des phenomenes dependants les uns des autres, mais des volon-
tes plus ou moins independantes et douees d'une puissance extreme, pouvant
agir les unes sur les autres et sur nous; le determinisme scientifique ne devait
etre qu'une conception posterieure, incapable de venir d'abord ä la pensee
de l'homme. Le monde etant ainsi congu comme un ensemble de volontes
physiquement tres puissantes, l'homme a qualifie moralement et socialement
ces volontes selon la maniere dont elles se conduisaient envers lui." (Guyau
1887, 46. „Zusammengefasst: die einfachste, die ursprünglichste Konzeption,
die sich der Mensch von der Natur machen kann, ist es, in ihr nicht voneinan-
der abhängige Erscheinungen zu sehen, sondern mehr oder weniger unabhän-
gige Willenskräfte, die mit extremer Macht ausgestattet sind, die auf einander
und auf uns einwirken können. Der wissenschaftliche Determinismus sollte
nur eine spätere Konzeption sein, denn sie kann unmöglich dem Menschen
zuerst in den Sinn gekommen sein. Die Welt wurde also begriffen als Zusam-
menschluss von physisch sehr mächtigen Willenskräften. Der Mensch hat diese
Willenskräfte moralisch und gesellschaftlich bewertet je nachdem, wie sich
diese ihm gegenüber verhielten."). Zu Guyau und N. vgl. auch Pecaud 1996
und Lampl 1990. Freilich ist die Überlegung, dass wir den Täter zu einem Tun
erst hinzuerfinden, bei N. schon vor der Guyau-Lektüre zu finden, vgl. z. B. NL
1885/86, KSA 12, 2[83], 102, 9 f. (KGW IX 5, W I 8, 131, 3 f.).
91, 21-23 er nahm erst den Begriff Sein aus dem Begriff Ich heraus, er hat die
„Dinge" als seiend gesetzt nach seinem Bilde, nach seinem Begriff des Ichs als
Ursache.] Vgl. NK 91, 7-9. Den „Begriff des Ich" hat N. etwa bei Höffding
1887, 168 gefunden (von ihm Unterstrichenes kursiviert). „Nach seinem Bilde"
ist die Wendung aus dem biblischen Bericht über die Erschaffung des Men-
schen (Genesis 1, 27).
91, 27-29 Und selbst noch Ihr Atom, meine Herren Mechanisten und Physiker,
wie viel Irrthum, wie viel rudimentäre Psychologie ist noch in Ihrem Atom rück-
 
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