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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0380
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Stellenkommentar GD Verbesserer, KSA 6, S. 98-99 361

dings auf Menschen und Priester übertragbar: „Die Domesticität selbst ist die
höchste Form der Gegenseitigkeit, welche zwischen verschiedenen Arten vor-
kommen kann, weil sie die Unterordnung voraussetzt. Unterordnung und Orga-
nisation ist eines. Die Vergesellschaftung ist hier auf beiden Seiten eine freiwil-
lige, und das ist die Grundbedingung für jede Gegenseitigkeit; aber sie
verträgt /164/ auch, dass eines der Glieder dieser Association eine Herrschaft
ausübt, welche die anderen bereitwillig annehmen, und welche jenem gestat-
tet, die Gesellschaft ausschliesslich nach seinem Vortheil zu leiten. Es ist
gleichzeitig ihr Führer und ihr Zweck. / Wenn wir die Domestication eine frei-
willige Vergesellschaftung nennen, so wollen wir damit doch nicht gesagt
haben, dass sie es auch von Anfang an gewesen sei. [...] Nun beginnt [...] jeder
Domesticationsversuch mit einem Act der Einschüchterung und des Zwanges."
(Espinas 1879, 163 f.; der letzte Satz von N. mit einem Randstrich markiert). Bei
Schneider o. J., 421 hat N. lesen können: „Alle Zähmung und Dressur der
Thiere und alle Erziehung des Menschen ist eine künstliche Abänderung
der Triebe." (Seite mit Eselsohr markiert).
Die Übertragung des zoologischen Zähmungsbegriffs auf die Kultur hat N.
bei Hellwald 1877a, 2, 17 finden können: „Die Civilisation ist in der That nichts
anderes als die Zähmung des Menschengeschlechtes. Wie jede Zähmung ent-
wickelt sie gewisse Eigenschaften, um gleichzeitig andere zu unterdrücken".
Diese Stelle steht unmittelbar vor der in NK 99, 17-32 mitgeteilten zur Wirkung
des Christentums auf die Germanen. Der Idee einer biologischen Verbesserung
menschlicher „Rassen" durch „eugenische" Maßnahmen wie gezielte Partner-
wahl war N. insbesondere bei Galton 1883 begegnet, der übrigens die Men-
schen unter „domesticated animals" (ebd., 3) verbucht und der Tierdomestika-
tion einen eigenen Aufsatz widmet (ebd., 243-271). Entsprechende
Nachlassnotizen verbinden das Thema Züchtung mit dem der Religion: „Ich
betrachte Religionen und Erziehungssysteme darauf hin, wie weit sie Kraft
ansammeln und vererben; und nichts scheint mir wesentlicher zu studiren, als
die Gesetze der Züchtung, um nicht die größte Menge von Kraft wieder
zu verlieren, durch unzweckmäßige Verbindungen und Lebensweisen." (NL
1885, KSA 11, 34[176], 480, 16-21, korrigiert nach KGW IX 1, N VII 1, 74, 16-28)
Ein ähnliches Ökonomieprinzip hat Galton 1883, 303 formuliert: „The other is
that the process of evolution has been hitherto apparently carried out with,
what we should reckon in our ways of carrying out projects, great waste of
opportunity and of life, and with little if any consideration for individual
mischance. Measured by our criterion of intelligence and mercy, which consists
in the achievement of result without waste of time or opportunity, without
unnecessary pain, and with equitable allowance for pure mistake, the process
of evolution on this earth, so far as we can judge, has been carried out neither
 
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