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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0405
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386 Götzen-Dämmerung

zu begreifen, scheint sie hier ganz nach neuhumanistischen Vorgaben als
Selbstzweck bestimmt zu werden. N. selbst ist von Wagner in einem offenen
Brief vom 12. 06. 1872 als künftiger Erneuerer der „deutsche[n] Bildung"
(Wagner 1871-1873, 9, 356 = Wagner 1907, 9, 300) präsentiert worden; N. dachte
zunächst daran, diesen Passus in EH zu zitieren, vgl. NK ÜK EH Warum ich so
gute Bücher schreibe 2.
107, 10 f. Erzieher thun noth, die selbst erzogen sind] Vgl. schon NL 1875,
KSA 8, 5[25], 47, 1 f.: „Erzieher erziehn! Aber die ersten müssen
sich selbst erziehn! Und für diese schreibe ich." Sowie NL 1876, KSA 8,
19[61], 344: „Es giebt keinen Erzieher mehr; man kauft sich unter diesem
Namen immer nur Leute, welche selber nicht erzogen sind. — Es giebt Lehrer,
aber keine Erzieher, Stallknechte, aber keine Reiter." (Ähnlich auch NL 1876/
77, KSA 8, 21[63], 376; 23[136], 452 u. MA II WS 267, KSA 2, 667 f.).
107, 18-20 Eine jener allerseltensten Ausnahmen ist mein verehrungswürdiger
Freund Jakob Burckhardt in Basel: ihm zuerst verdankt Basel seinen Vorrang
von Humanität.] Nicht mehr Schopenhauer, den noch der Titel der Dritten
Unzeitgemässen Betrachtung als „Erzieher" auswies, sondern N.s älterer Basler
Kollege, der berühmte Historiker Jacob Burckhardt rückt in die Erzieherrolle
ein. N.s Urteil über Burckhardt als Erzieher klingt wie ein Echo und eine
freundliche Replik auf ein von Burckhardt ausgesprochenes Lob N.s als Erzie-
hers, von dem dieser im Brief an Rohde vom 07. 10. 1875 berichtet hatte: „Ich
wurde neulich in fast erschreckender Weise daran erinnert, was man ist und
was man gerade jetzt kann, da man sich in ein verzehrendes Anticipiren der
Zukunft viel zu sehr eingelassen hat, um nicht alles gegenwärtige Können zu
übersehen; mir wurde nämlich etwas aus einem Urtheile J. Burckhardts über
mich wieder erzählt (er hatte sich in Lörrach gegen einen ganz vertrauten Arzt
ausgesprochen) Unter anderem hat er gesagt: ,So einen Lehrer würden die
Baseler nicht wieder bekommen.' Das gilt also meiner Tätigkeit am Pädago-
gium: also zu einem ordentl. Schulmeister hat's man wirklich gebracht,
fast so nebenbei, denn bis diesen Augenblick habe ich nur mit Pflichtgefühl
und ohne alles Selbstgefühl diesem Amte gedient, auch ohne Freude." (KSB 5,
Nr. 490, S. 118 f.) N.s Burckhardt-Lob in 107, 18-20 fällt also auf N. selbst
zurück: Burckhardt als Erzieher par excellence erscheint exklusiv qualifiziert,
N.s eigene erzieherische Fähigkeiten zu loben — und nicht Wagner, vgl. NK
107, 7-10. An Franz Overbeck schrieb N. am 22. 12. 1888: „Jakob Burckhardt,
der zweimal mit außerordentlichen Ehren vorkommt, hat das allererste Exem-
plar [sc. von GD] bekommen, das Naumann für mich schickte." (KSB 8,
Nr. 1209, S. 547, Z. 19-22).
Die Literatur zum Thema N. und Jacob Burckhardt ist mittlerweile so ange-
schwollen, dass sich bereits Tertiärliteratur etabliert hat, vgl. Ruhstaller 1988
 
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