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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0416
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Stellenkommentar GD Streifzüge, KSA 6, S. 111 397

422), sondern entweder Faguet 1887, 408 oder Lemaitre 1887, 255. Bei Faguet
1887, 408 heißt es: „C'est une abondance douce et egale, un style plein, savou-
reux et frais, qui semble sentir le lait. On comprend, en lisant George Sand
bien mieux qu'en lisant Tite-Live, ce que Quintilien entendait par son ,lactea
ubertas'. Elle repose de Michelet, et Fenelon l'aurait aimee. Ce sont deux
grands eloges, meles de deux legeres critiques." (Nachweis bei Campioni 2001,
14 u. 216, der überdies darauf hinweist, dass Faguet N. später selbst intensiv
rezipiert hat. „Es ist eine sanfte, einheitliche Fülle, ein Stil vollkommen, wohl-
schmeckend und frisch, als würde er nach Milch riechen. Wenn man George
Sand liest, versteht man viel besser, als wenn man Titus Livius liest, was Quin-
tilian mit dem Ausdruck ,milchige Fülle' meinte. Sie bietet Erholung von Miche-
let, und Fenelon hätte sie geliebt. Dies sind zwei große Elogen, vermischt mit
zwei leichten Kritiken."). Dieses Urteil, das N. in ätzenden Spott ummünzt, ist
bei Faguet noch durchaus positiv gemeint. Lemaitre 1887, 255 f. schreibt hinge-
gen in direkter Ansprache an George Sand: „Votre parole, soit dans le recit,
soit dans le dialogue, coule et s'epanche comme une fontaine publique. Et ce
n'est ni par une finesse ni par un eclat extraordinaire, ni par la perfection
plastique que votre style se recommande, mais par des qualites qui semblent
encore tenir de la bonte et lui etre parentes; car il est ample, aise, genereux,
et nul mot ne semble mieux fait pour le caracteriser que ce mot des anciens
lactea ubertas, ,une abondance de lait', un ruissellement copieux et bienfai-
sant de mamelle /256/ nourriciere, 6 douce Io du roman contemporain!" („Ihre
Sprache, sei es in der Erzählung oder im Dialog, fließt und ergießt sich wie
ein öffentlicher Brunnen. Und es ist weder durch Finesse noch durch außeror-
dentlichen Glanz, noch durch plastische Perfektion, durch die Ihr Stil sich
empfiehlt, dafür aber durch Qualitäten, die noch Güte zu beinhalten und ihr
verwandt scheinen; denn er ist weitgreifend, ungezwungen und großzügig,
und es gibt kein Wort, das besser dafür gemacht scheint, diesen Stil zu
beschreiben, als das Wort der Alten: lactea ubertas, ,eine Fülle von Milch', ein
reichhaltiges wohltuendes Rieseln aus nährenden Brüsten, oh liebliche Io des
zeitgenössischen Romans!") Diese Fassung kommt mit ihrem ironischen Unter-
ton N.s beißendem Spott schon näher. Zum „schönen Stil" vgl. auch Berard-
Varagnac 1887, 19, der in den ersten Bänden der von ihm besprochenen, pos-
tum veröffentlichten Briefe der Sand gerade die „bonheurs de l'expression qui
sont comme la parure naturelle d'un beau style" nicht zu finden vermag.
Quintilian: Institutio oratoria X 1, 32 preist die „lactea ubertas", den milchi-
gen Reichtum der unter dem Titel Ab urbe condita libri bekannten römischen
Geschichte des Titus Livius. Zur Bedeutung und Karriere der Formel in der
Literaturgeschichte vgl. Quadlbauer 1983.
111, 11 f. Michelet: oder die Begeisterung, die den Rock auszieht...] Vgl. NL
1885, KSA 11, 37[13], 588 (KGW IX 4, W I 6, 57, 22-44 u. 59, 2-8) und NL 1884,
 
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