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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0475
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456 Götzen-Dämmerung

122, 3-6 Es giebt noch schlimmere „und"; ich habe mit meinen eigenen Ohren,
allerdings nur unter Universitäts-Professoren, gehört „Schopenhauer und Hart-
mann"...] In seinem Handexemplar von Höffding 1887, 92 hat N. das „und"
in folgendem Satz eingekreist und Schopenhauer eingeklammert: „Später hat
Helmholtz den Gebrauch dieses Ausdrucks [sc. „unbewusste Schlüsse"] ver-
mieden wegen des von Schopenhauer und v. Hartmann damit getriebenen
Missbrauchs." Schon drei Jahre vor Erscheinen von Höffdings Werk hat sich N.
notiert: „Es galt mir als Zeichen von ,Armut am Geiste', Schopenhauer und
Hartmann in Einem Athem (zu) nennen." (NL 1884, KSA 11, 25[266], 81). Sach-
lich begründet wird die Unvereinbarkeit von Schopenhauer und Hartmann in
NL 1887/88, KSA 13, ll[101], 50 (KGW IX 7, W II 3, 152, 2-4-153, 2-7). Vgl. Bru-
sotti 1992b, 391; zum „und" auch Rahden 1984.

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122, 8-11 Die geistigsten Menschen, vorausgesetzt, dass sie die muthigsten
sind, erleben auch bei weitem die schmerzhaftesten Tragödien: aber eben des-
halb ehren sie das Leben, weil es ihnen seine grösste Gegnerschaft entgegen-
stellt.] Dieser Abschnitt mit seinem vierfachen Superlativ ist ein Beleg dafür,
dass das Tragische beim späten N. — wie bei Schopenhauer! — primär nichts
mehr ist, was sich im Rahmen des Dionysos-Kultes oder auf der Bühne als
therapeutischer Anstalt abspielt, sondern im Leben — vornehmlich im Leben
höherentwickelter Menschen. 122, 8-11 reproduziert die alte (metaphysische!)
Gedankenfigur, wonach erst durch die äußerste Herausforderung das Gute her-
vorgebracht werde (Bonum durch Malum), hier also durch die Widerwärtigkeit
des Daseins seine Bejahung. Vgl. NK 127, 31-128, 7 u. Tongeren 1996.
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Der Abschnitt findet sich auch in Heft W II 6, 36 unter dem Titel „Zur Moderni-
tät" sowie „decadence" (KSA 14, 426).
122, 13 Zum„intellektuellen Gewissen"] Vgl. MA I 109, KSA 2, 109; MA
II VM 26, KSA 2, 391; M 149, KSA 3, 141; M 298, KSA 3, 221; FW 2, KSA 3, 373 f.;
FW 335, KSA 3, 561 f.; GM III 24, KSA 5, 398 f. Das „intellectuelle Gewissen" als
„Gewissen hinter deinem ,Gewissen'" (FW 335, KSA 3, 561) hat insbesondere
in N.s mittleren Werken einen hohen Stellenwert als Ausweis geistiger Redlich-
keit. Später gibt es dann auch Pläne, ein Werk unter diesem Titel zu realisieren
 
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