540 Götzen-Dämmerung
Der Ausdruck „catilinarische Existenz" geht auf eine Rede Otto von Bismarcks
vom 30. September 1862 zurück, wo es heißt: „Im Lande gibt es eine Menge
,catilinarischer Existenzen', die ein großes Interesse an Umwälzungen haben."
Das Stichwort wird bald populär als „Bezeichnung für Personen, welche gleich
dem Römer Catilina nichts zu verlieren haben und darum alles wagen" (Meyer
1885-1892, 3, 864), insbesondere in satirischem Kontext, vgl. z. B. Ladendorf
1906, 43 — auch ein Roman von Theodor König trägt den Titel Eine catilinari-
sche Existenz (1865). Vgl. NL 1885, KSA 12, 1[221], 59 (KGW IX 2, N VII 2, 16,
38-40): „Catilina — ein Romantiker neben Caesar, modo celer modo lentus
ingressus".
Lucius Sergius Catilina (108-62 v. Chr.) war der Anstifter der nach ihm
benannten Verschwörung: „Da er infolge der von der Provinz erhobenen Anklage
wegen Erpressungen sich nicht um das Konsulat bewerben konnte, verband er
sich mit mehreren Genossen von ähnlicher Gesinnung, um [...] das Konsulat
gewaltsam an sich zu reißen. Indessen mißlang der Anschlag sowohl 1. Jan. als
5. Febr. 65 [...]. Er hatte schon vorher eine große Zahl von Anhängern aus allen
Ständen durch alle möglichen Mittel an sich gezogen, besonders junge Männer
von vornehmer Geburt, die aber gleich ihm verschuldet und ohne Aussicht für
die Zukunft waren. Indessen wurde Cicero von dem Vorhaben Catilinas stets
insgeheim in Kenntnis gesetzt, er stellte ihn daher 21. Okt. 63 im Senat zur
Rede, wobei er ihm die Einzelheiten seines Anschlags vorhielt, und als C. trotzig
erwiderte, ermächtigte der Senat die Konsuln zu Ausnahmemaßregeln. Als er
darauf bei der Konsulwahl für 62 abermals durchfiel, entschloß er sich zum
offenen Krieg [...]. In der [...] Schlacht bei Pistoria im Februar 62 fiel C. mit fast
allen seinen Leuten nach heldenmütiger Gegenwehr." (Meyer 1885-1892, 3, 864)
Abgesehen von Ciceros Reden ist für das postume Catilina-Bild die maßgebliche
Quelle De coniuratione Catilinae von Sallust, den N. in GD Was ich den Alten
verdanke 1 preist (vgl. NK 154, 12-19). In der Sache dürfte N. auch an Wagner
gedacht haben, der eine solche „catilinarische Existenz" mit seiner Teilnahme
am Dresdner Maiaufstand 1849 zu verkörpern schien und in Oper und Drama
1851 die Losung ausgab: „den Staat vernichten; denn der Staat schritt
durch die Gesellschaft zur Verneinung der freien Selbstbestimmung des Indivi-
duums vor, — von ihrem Tode lebte er" (Wagner 1871-1873, 4, 83 = Wagner
1907, 4, 67; N. nimmt das direkt auf z. B. in NL 1869/70, KSA 7, 3[11] 62, 18: „Die
Kunst hat die Aufgabe, den Staat zu vernichten.").
148, 14 Präexistenz-Form] Zur theologischen und geschichtsphilosophischen
Figur der Präexistenz, wonach etwas im Verborgenen schon vorhanden ist,
bevor es in Erscheinung tritt, siehe NK KSA 6, 246, 18-23 u. Sommer 2000a,
593-595.
148, 13 Caesar] Vgl. NK 130, 19-26.
Der Ausdruck „catilinarische Existenz" geht auf eine Rede Otto von Bismarcks
vom 30. September 1862 zurück, wo es heißt: „Im Lande gibt es eine Menge
,catilinarischer Existenzen', die ein großes Interesse an Umwälzungen haben."
Das Stichwort wird bald populär als „Bezeichnung für Personen, welche gleich
dem Römer Catilina nichts zu verlieren haben und darum alles wagen" (Meyer
1885-1892, 3, 864), insbesondere in satirischem Kontext, vgl. z. B. Ladendorf
1906, 43 — auch ein Roman von Theodor König trägt den Titel Eine catilinari-
sche Existenz (1865). Vgl. NL 1885, KSA 12, 1[221], 59 (KGW IX 2, N VII 2, 16,
38-40): „Catilina — ein Romantiker neben Caesar, modo celer modo lentus
ingressus".
Lucius Sergius Catilina (108-62 v. Chr.) war der Anstifter der nach ihm
benannten Verschwörung: „Da er infolge der von der Provinz erhobenen Anklage
wegen Erpressungen sich nicht um das Konsulat bewerben konnte, verband er
sich mit mehreren Genossen von ähnlicher Gesinnung, um [...] das Konsulat
gewaltsam an sich zu reißen. Indessen mißlang der Anschlag sowohl 1. Jan. als
5. Febr. 65 [...]. Er hatte schon vorher eine große Zahl von Anhängern aus allen
Ständen durch alle möglichen Mittel an sich gezogen, besonders junge Männer
von vornehmer Geburt, die aber gleich ihm verschuldet und ohne Aussicht für
die Zukunft waren. Indessen wurde Cicero von dem Vorhaben Catilinas stets
insgeheim in Kenntnis gesetzt, er stellte ihn daher 21. Okt. 63 im Senat zur
Rede, wobei er ihm die Einzelheiten seines Anschlags vorhielt, und als C. trotzig
erwiderte, ermächtigte der Senat die Konsuln zu Ausnahmemaßregeln. Als er
darauf bei der Konsulwahl für 62 abermals durchfiel, entschloß er sich zum
offenen Krieg [...]. In der [...] Schlacht bei Pistoria im Februar 62 fiel C. mit fast
allen seinen Leuten nach heldenmütiger Gegenwehr." (Meyer 1885-1892, 3, 864)
Abgesehen von Ciceros Reden ist für das postume Catilina-Bild die maßgebliche
Quelle De coniuratione Catilinae von Sallust, den N. in GD Was ich den Alten
verdanke 1 preist (vgl. NK 154, 12-19). In der Sache dürfte N. auch an Wagner
gedacht haben, der eine solche „catilinarische Existenz" mit seiner Teilnahme
am Dresdner Maiaufstand 1849 zu verkörpern schien und in Oper und Drama
1851 die Losung ausgab: „den Staat vernichten; denn der Staat schritt
durch die Gesellschaft zur Verneinung der freien Selbstbestimmung des Indivi-
duums vor, — von ihrem Tode lebte er" (Wagner 1871-1873, 4, 83 = Wagner
1907, 4, 67; N. nimmt das direkt auf z. B. in NL 1869/70, KSA 7, 3[11] 62, 18: „Die
Kunst hat die Aufgabe, den Staat zu vernichten.").
148, 14 Präexistenz-Form] Zur theologischen und geschichtsphilosophischen
Figur der Präexistenz, wonach etwas im Verborgenen schon vorhanden ist,
bevor es in Erscheinung tritt, siehe NK KSA 6, 246, 18-23 u. Sommer 2000a,
593-595.
148, 13 Caesar] Vgl. NK 130, 19-26.