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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0032
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Überblickskommentar 9

mir Fleisch und Genie geworden ist." (EH Warum ich ein Schicksal bin 1,
KSA 6, 365, 21-24) Passagenweise erscheint Ecce homo als eine Art Autohagio-
graphie: Dieses Werk, das AC in Aussicht stellt, das heißt, den Umsturz alles
bislang Gültigen, negiert alle heilsgeschichtlichen Konstruktionen des Chris-
tentums, bedient sich aber im Ausblick auf die Umwertung und AC selber heils-
geschichtlicher Topik. AC verfolgt noch mehr als alle anderen Schriften N.s
performative Absichten; er will in der Welt etwas erreichen, etwas ganz Ent-
scheidendes, etwas absolut Umwälzendes. Er will die herrschende Moral aus
ihren religiösen und metaphysischen Angeln heben, um etwas völlig Neues zu
initiieren. Demgegenüber hat Ecce homo auch den Zweck, dem Antichrist einen
„Dysangelisten", einen Paulus zu ersparen (wie er Jesus nicht erspart geblieben
ist), indem der Antichrist seinen eigenen Tatenbericht schreibt.

3 Quellen
Da AC im Unterschied etwa zu N.s Aphorismenbüchern, aber etwa auch zur
Götzen-Dämmerung thematisch sehr klar gegliedert ist, lassen sich zu einzel-
nen Teilen des Werkes recht eindeutige Zuordnungen von Hauptquellen
machen, deren Erkenntnisse N. nach seiner Gewohnheit neu kontextualisiert
und amalgamiert. Die Herkunft des verwendeten Wissens wird freilich bewusst
verschleiert; in AC werden Quellen kaum genannt und falls doch, dann in
polemischer Abgrenzung (z. B. KSA 6, 199, 26-30). Im Einzelnen erfolgen die
Nachweise im Stellenkommentar.
Für die Kritik des jüdisch-christlichen Gottesbegriffes in den Abschnitten
16 bis 19 sind Wellhausen 1887 (u. 1883) sowie Dostoievsky 1886a wichtige
Stichwortgeber. Die Darstellung des Buddhismus in den Abschnitten 20 bis 23
ist Oldenberg 1881 verpflichtet. Für die Nachzeichnung der Geschichte Israels,
zum Judentum und zum frühen Christentum zog N. Wellhausen 1883 heran,
für sein Jesus-Bild trotz aller Polemik Renan 1863/67 (Vie de Jesus). Nicht ohne
Einfluss blieb auch Tolstoi 1885. Für die Charakterisierung Jesu als Idiot hat
N.s wohl sekundär vermittelte Bekanntschaft mit Dostojewskijs gleichnamigem
Roman (Dostoievsky o. J.) Pate gestanden. Die verschiedenen Bände von Re-
nans Origines du Christianisme gaben ebenso wie Lippert 1882 Material für die
Gestaltung der Ur- und Frühgeschichte des Christentums her. Bei der Präsenta-
tion des Manu-Gesetzes bezog sich N. auf die wissenschaftlich schon damals
unhaltbare Ausgabe von Jacolliot 1876. Das Renaissance-Bild in Abschnitt 61
ist stark von Burckhardt 1869b geprägt. Allgemeine psycho-physiologische
Informationen gewann N. aus Fere 1887 u. 1888, während Guyau 1887 spezi-
fisch Religionspsychologisches und Lecky 1873 u. 1879 Kulturgeschichtliches
beisteuerten.
 
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