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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0362
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Überblickskommentar 339

Z. 43-58) Die Möglichkeit der Übersetzung verwandelt sich in N.s Briefen bald
zur Wirklichkeit: EH „erscheint zugleich englisch, französisch und deutsch",
hieß es lapidar am 11. 12. 1888 an Deussen (KSB 8, Nr. 1186, S. 520, Z. 34 f.) —
ohne dass doch auch nur ein einziger Übersetzer sicher feststand. Das gab N.
am 16. 12. 1888 im Brief an Köselitz auch zu: „Ich finde die Übersetzer für
,Ecce‘ nicht: ich muß einige Monate den Druck noch hinausschieben." (KSB 8,
Nr. 1192, S. 527, Z. 25-27) Darüber war er freilich nicht traurig: „Ich sehe jetzt
mitunter nicht ein, wozu ich die tragische Katastrophe meines Lebens, die
mit ,Ecce' beginnt, zu sehr beschleunigen sollte." (Ebd., S. 528, Z. 43-45) Für
die deutsche Version fasste N. im Brief an den Verleger Naumann vom 20. 12.
1888 durchaus keine Millionenauflage ins Auge: „Die Zahl der Exemplare —
können Sie mir einmal einen ungefähren Kostenüberschlag für 1000 gute
Exemplare und 4000 auf geringerem Papier machen?" (KSB 8, Nr. 1202, S. 541,
Z. 10-12) Das hinderte ihn nicht, am 22. 12. 1888 an Ferdinand Avenarius zu
schreiben, „mit dem Erscheinen von Ecce homo [...] rechne ich meine
Anhänger nach Millionen" (KSB 8, Nr. 1206, S. 544, Z. 9-11), während er sich
im Brief an Naumann vom 29. 12. 1888 auf Deutsch mit insgesamt nur 1000
Exemplaren beschied — „in Frankreich rechne ich, allen Ernsts, auf 80-
400 000 Exemplare" (KSB 8, Nr. 1220, S. 558, Z. 23 f.). Die Entscheidung, ob
nun NW oder EH in der Drucklegung prioritär zu behandeln sei, revidierte N.
mehrfach (vgl. auch den Brief an Carl Fuchs, 27. 12. 1888, KSB 8, Nr. 1214,
S. 553). N.s letzte briefliche Äußerung zum Thema lautete am 02. 02. 1889:
„Vorwärts mit Ecce!" (KSB 8, Nr. 1237, S. 571, Z. 5).
Zu N.s Selbsteinschätzung aufschlussreich ist eine Bemerkung im bereits
zitierten Brief an Strindberg vom 08. 12. 1888: „Auch ist das Buch nicht lang-
weilig, — ich habe es mitunter selbst im Stil ,Prado' geschrieben..." (KSB 8,
Nr. 1176, S. 509, Z. 51 f.). Kurz vorher hatte er den Hochstapler und Mörder
Prado, dem man gerade in Paris den Prozess machte, als exemplarischen Ver-
brecher-Typus gegen Strindbergs These ins Feld geführt, Verbrecher seien nor-
malerweise geistig minderbemittelte decadents: „Prado war seinen Richtern,
seinen Advokaten selbst durch Selbstbeherrschung, esprit und Übermuth über-
legen; trotzdem hatte ihn der Druck der Anklage physiologisch schon so
heruntergebracht, daß einige Zeugen ihn erst nach alten Porträts wiederer-
kannten." (Ebd., S. 508, Z. 16-20. Über den Prado-Prozess hatte sich N. ausgie-
big im Journal des Debats kundig gemacht, vgl. die Ausgaben vom 02. 09. 1888,
S. 2; 06. 11. 1888, S. 2f.; 07. bis 16. 11. 1888; dazu Kohli 2011, 39-43) Mit dem
EH zugeschriebenen „Stil ,Prado'" nimmt N. also erstens die immoralistischen
Tugenden „Selbstbeherrschung, esprit und Übermuth" für sein Werk in
Anspruch. Zweitens kokettiert N. damit, dass sein Werk der landläufigen Moral
verbrecherisch erscheinen müsse. Drittens indiziert „Stil ,Prado'", dass man
 
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