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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0390
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Stellenkommentar EH weise, KSA 6, S. 265-266 367

sehn, Augen auch hinter dem Kopfe haben". Das Thema greift FW 374 auf:
Unsere Perspektiven-Gebundenheit verbiete es, um unsere eigene Ecke zu
sehen, wir seien aber doch genötigt, andere Perspektiven als möglich und
damit „unendliche Interpretationen" der Welt anzuerkennen (KSA 3,
626 f.).
266, 10-13 Ich habe es jetzt in der Hand, ich habe die Hand dafür, Perspek-
tiven umzustellen: erster Grund, weshalb für mich allein vielleicht eine
„Umwerthung der Werthe" überhaupt möglich ist.] Das Umstellen von Perspekti-
ven ist ein zentrales Moment in N.s moralgenealogischem Verfahren und kann
geradezu als Inbegriff des Umwertens angesehen werden. Erst langwierige
Erfahrung und Arbeit an sich selbst haben dies nach EH Warum ich so weise
bin 1 ermöglicht.

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Der Abschnitt illustriert die berühmte Sentenz GD Sprüche und Pfeile 8 (KSA 6,
60, 8 f.).
266, 15 f. Abgerechnet nämlich, dass ich ein decadent bin, bin ich auch dessen
Gegensatz.] Damit wird die paradoxale Struktur von EH Warum ich so weise
bin 1, KSA 6, 264, 3-11 begrifflich verdichtet. Vgl. auch NK KSA 6, 11, 17-20.
266, 25-28 Ich nahm mich selbst in die Hand, ich machte mich selbst wieder
gesund: die Bedingung dazu — jeder Physiologe wird das zugeben — ist, dass
man im Grunde gesund ist.] Diese Überlegungen (vgl. auch GD Die vier
grossen Irrthümer 1-2, KSA 6, 88-90) setzen voraus — wie N.s häufige Äuße-
rungen über Gesundheit und Krankheit im Spätwerk generell —, dass Gesund-
heit kein relativer, sondern ein absoluter Begriff ist, etwas also an sich gesund
oder krank sei. Diese Vorstellung lässt sich mit den perspektivistischen Vorga-
ben von N.s Erkenntniskritik nur schwer zur Deckung bringen, einer Erkennt-
niskritik, für die — zumal angesichts der Unabgeschlossenheit aller Dinge,
gerade auch des Menschen — etwas eigentlich nur in bestimmter Hinsicht als
gesund oder als krank qualifiziert werden könnte. In AC 14 behauptet N. sogar,
„der Mensch" sei, „relativ genommen, das missrathenste Thier, das krankhaf-
teste" (KSA 6, 180, 12 f.). Worin soll dann nach 266, 25-28 im an sich krankhaf-
ten humanen Leben das eigentlich gesunde liegen?
266, 23 beärzteln] Bei diesem Hapax legomenon (auch in der Fassung NL
1888, KSA 13, 24[1]11, 631) handelt es sich um einen Neologismus N.s (vgl. Gau-
ger 1988, 102).
 
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