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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0397
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374 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

legendenhaft übermittelte polnische Herkunft) in Notwendigkeiten (Pole, und
nicht Deutscher, zu sein)". Diese Art der Umdeutung von Kontingenz in Not-
wendigkeit ist für EH insgesamt charakteristisch. Vgl. N.s Zettel „Den erlauch-
ten Polen", um den 04. 01. 1889: „Ich gehöre zu euch, ich bin mehr noch Pole
als ich Gott bin" (KSB 8, Nr. 1253, S. 577, Z. 3).
268, 4-8 Wenn ich den tiefsten Gegensatz zu mir suche, die unausrechenbare
Gemeinheit der Instinkte, so finde ich immer meine Mutter und Schwester, —
mit solcher canaille mich verwandt zu glauben wäre eine Lästerung auf meine
Göttlichkeit.] Bekanntlich soll auch Jesus seine irdischen Verwandten — Mutter
und Brüder — verleugnet haben, vgl. Matthäus 12, 46-48 u. Markus 3, 31-33.
268, 8-16 Die Behandlung, die ich von Seiten meiner Mutter und Schwester
erfahre, bis auf diesen Augenblick, flösst mir ein unsägliches Grauen ein: hier
arbeitet eine vollkommene Höllenmaschine, mit unfehlbarer Sicherheit über den
Augenblick, wo man mich blutig verwunden kann — in meinen höchsten Augen-
blicken,... denn da fehlt jede Kraft, sich gegen giftiges Gewürm zu wehren... Die
physiologische Contiguität ermöglicht eine solche disharmonia praestabilita...]
Vgl. die in NK 342, 19-32 u. in KSA 14, 497-499 mitgeteilten Varianten zum
Ende von EH Za 5, KSA 6, 342. N. hatte Mitte November 1888 brieflich von
seiner Schwester „Abschied" genommen: „Du hast nicht den entferntesten
Begriff davon, nächstverwandt mit dem Menschen und Schicksal zu sein, in
dem sich die Frage von Jahrtausenden entschieden hat" (KSB 8, Nr. 1145, S. 473,
Z. 7-10).
268, 15 f. disharmonia praestabilita] Ironische Kontrafaktur zu Gottfried Wil-
helm Leibniz' Lehre von der prästabilierten Harmonie, der „harmonia praesta-
bilita". Zum metaphysischen Begriff vgl. NK KSA 1, 137, 27; erläutert gefunden
hat ihn N. beispielsweise bei Ueberweg 1866b, 3, 102.
268, 16-18 Aber ich bekenne, dass der tiefste Einwand gegen die „ewige Wie-
derkunft", mein eigentlich abgründlicher Gedanke, immer Mutter und
Schwester sind} Noch nicht unmittelbar personalisiert ist diese Überlegung in
Za III Der Genesende 2, KSA 4, 274, 27 f.: „,— ach, der Mensch kehrt ewig wie-
der! Der kleine Mensch kehrt ewig wieder!"'. Den „abgründlichen Gedanken"
als Gedanken der Ewigen Wiederkunft setzt Zarathustra in Za III Vom Gesicht
und Räthsel 2, KSA 4, 199 f. dem ihn belästigenden „Zwerg" entgegen. Die Iden-
tifikation von „abgründlichem Gedanken" und Wiederkunftsgedanken klingt
auch in Za III Von der Seligkeit wider Willen, KSA 4, 205, 21-26 und in Za III
Der Genesende 1, KSA 4, 270, 13-15 an, im Superlativ EH Za 6, KSA 6, 345, 8.
268, 18-22 Aber auch als Pole bin ich ein ungeheurer Atavismus. Man würde
Jahrhunderte zurüdezugehn haben, um diese vornehmste Rasse, die es auf Erden
 
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