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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0485
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462 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

S. 234, Z. 6 f.) Zu N.s Präferenz für die akustische Metaphorisierung des Verste-
hens vgl. z. B. NK KSA 6, 58, lf. und NWB 1, 69.
302, 11 f. ich bin, auf griechisch, und nicht nur auf griechisch, der Antichrist]
Vgl. NK KSA 6, 165, lf., ferner Moraes Barros 2005.
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Im ersten Druckmanuskript von Mitte November 1888 lautete dieser Abschnitt
noch wie folgt: „Ich kenne einigermaßen meine Vorrechte als Schriftsteller;
und in einzelnen Fällen ist es mir auch bezeugt, bis zu welchem Grade das
Studium meiner Schriften ,den Geschmack verdirbt'. Man hält einfach Bücher
nicht mehr aus; am wenigstens [sic] philosophische. — Ich komme aus einer
andren Tiefe, ich komme insgleichen auch aus einer andren Höhe; man
weiß ohne mich nicht, was hoch und tief ist. Zuletzt Zum Glück fehlt mir 'auch'
alles Biedermännische, ich suche meine Ehre darin, in aller jeder Kunst der
Verführung Meister zu sein, — ich ^denk ^am^wenigsten ^daran, mein letzter
Ehrgeiz wäre, Schwaben und andere Kühe zu mir zu überreden. Das, was 'aber'
vor Allem die an meine Schriften gewöhnten Leser verwöhnt, das ist meine
Tapferkeit: es geht überall gefährlich zu, 'man ist nicht umsonst mit der schö-
nen Ariadne befreundet,' für das Labyrinth besteht eine eigne Neugierde, —
die Bekanntschaft des Herrn Minotaurus wird durchaus nicht abgelehnt...
Plato, um nicht vom Philosophen der ,Hinterthüren', von Kant zu reden, ist
gegen mich ein Duckmäuser. — Meine Schriften machen Mühe, — r— das ist
hoffentlich kein Einwand gegen sie? -' Man muß, um die abgekürzteste
Sprache zu verstehn, die je ein Philosoph gesprochen hat, — noch dazu die
formelärmste, die lebendste, die am meisten künstlerische — sich der umge-
kehrten Prozedur bedienen als sonst philosophische Litteratur nöthig macht.
Diese muß man condensiren, man verdirbt sich sonst den Magen, — mich
muß man verdünnen, flüssig machen, anwässern: man verdirbt sich sonst
ebenfalls den Magen. — Das Schweigen ist bei mir ebenso Instinkt als bei den
Herrn Philosophen das Schwätzen. Ich bin kurz: meine Leser selber müssen
"lang werden, umfänglich werden, um Alles herauf und zusammen zu holen,
was von mir gedacht, und von mir hintergedacht worden ist. — Es giebt andrer-
seits Voraussetzungen, um hier zu ,verstehn', denen 'nur' die Seltensten
gewachsen sind: man muß ein Problem an die rechte Stelle zu setzen wissen,
will sagen in den Zusammenhang mit den zugehörigen Problemen — und
dazu muß man die Winkel, die schwierigeren Gegenden ganzer Wissenschaften
und vor allem der Philosophie selbst topographisch gegenwärtig haben. —
Zuletzt rede ich nur von Erlebtem, nicht bloß von ,Gedachtem'; der Gegensatz
 
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