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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0504
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Stellenkommentar EH GT, KSA 6, S. 307-309 481

Musik; in der Neuausgabe von 1886, der er den „Versuch einer Selbstkritik"
vorausschickte: Die Geburt der Tragödie. Oder: Griechenthum und Pessimismus.
In 309, 17-19 stellt N. den Untertitel von 1886 als den eigentlich allein angemes-
senen dar: „,Griechenthum und Pessimismus': das wäre ein unzweideutigerer
Titel gewesen". Gegenüber dem ursprünglichen Titel, der die aus der Perspek-
tive des Autors von EH verfehlte „Nutzanwendung" der Schrift „auf die Wag-
nerei" (309, 5 f.) begünstigte, betont N. so die Möglichkeit einer nachträgli-
chen Bedeutungsgebung.
Die von N. genannte Zweideutigkeit des Titels der Ausgabe von 1872 ergibt
sich aus dessen begrifflicher Nähe zu Wagners Ausführungen zum Ursprung
der griechischen Tragödie, v. a. in seiner Beethoven-Schrift von 1870: „aus dem
Chorgesange projizirte sich das Drama auf die Bühne, wir sehen überall das
innere, nur aus dem Geiste der Musik zu verstehende Gesetz, das äußere, die
Welt der Anschaulichkeit ordnende Gesetz bestimmen" (Wagner 1907, 9, 121).
Bereits in einer Notiz von 1849 über den Gegensatz des modernen zum klassi-
schen Trauerspiel sprach Wagner von dessen „Geburt aus der musik [sic]" bei
Aischylos — im Unterschied zur „Decadence" bei Euripides (Wagner 1885, 68 =
Wagner 1911, 12, 278).
309, 3 f. Um gegen die „Geburt der Tragödie" (1872) gerecht zu sein, wird man
Einiges vergessen müssen.] Das Druckmanuskript hat an dieser Stelle ursprüng-
lich: „Gegen die Geburt der Tragödie gerecht zu sein, wird mir heute nicht
leicht. Ihr schädlicher Einfluß ist mir noch zu frisch im Gedächtniß." (KSA 14,
486 f.).
N.s Retraktation der Tragödienschrift ist, wie sich schon in der einleiten-
den Aufforderung zum Vergessen ankündigt, von einer „Taktik der Vermei-
dung" (Groddeck 1984, 330) beherrscht. Dass die Auslassungen in N.s Selbstin-
terpretation verglichen mit dem Ursprungstext von 1872 und der Vorrede von
1886 kalkuliert sind, lässt sich beispielsweise daraus ersehen, dass N. die Artis-
tenmetaphysik, die er noch 1886 besonders betonte, in EH gänzlich übergeht,
um an ihre Stelle das den EH-Text beherrschende Pathos des „welthistorischen
Accent[s]" (EH GT 4, KSA 6, 314, 31) zu setzen (Groddeck 1984, 330).
309, 6 Wagnerei] Vgl. NK KSA 6, 11, 7.
309, 8 f. gab es erst grosse Hoffnungen bei dem Namen Wagner] Im Druckma-
nuskript standen hier zuerst die Worte: „erst giebt es intelligente Anhänger
an der Sache Wagner's" (KSA 14, 487).
309, 13 f. Ich fand die Schrift mehrmals citirt als „die Wiedergeburt der Tragö-
die aus dem Geiste der Musik"] Der Ausdruck „Wiedergeburt" beherrscht GT
leitmotivisch (GT 16, KSA 1, 103, 13 f.; GT 17, KSA 1, 111, 17; GT 19, KSA 1, 129,
 
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