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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0530
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Stellenkommentar EH MAM, KSA 6, S. 320-322 507

welches nicht bloß dreiviertel meiner Kraft verbrauchte, welches mir die Zeit
selbst nahm, auch nur an Ersatz der von Kraft zu denken? Ich gebe jene
abgründliche jenes herbe Stück Psychologie des Gelehrten, welches Einem in
der genannten Schrift plötzlich, wie aus einer unsäglichen Erfahrung heraus,
ins Gesicht springt." (KSA 14, 488) Das Profil des wahren, durch sein Beispiel
wirkenden Philosophen gegenüber dem bloßen Philosophieprofessor hatte N.
(im Anschluss an Schopenhauers einschlägige Polemik) schon in UB III SE 3,
KSA 1, 350-363 entworfen. Unmittelbar vor dem oben evozierten Passus auf
Seite 93 der Erstausgabe hatte N. sarkastisch gefragt: „wann wäre je aus einem
Gelehrten ein wirklicher Mensch geworden?" (UB III SE 7, KSA 1, 410, lf.) Die
Vorlage für die „Wiederkäuer" stammt aus dem zweiten Band von Schopenhau-
ers Parerga und Paralipomena (Bd. 2, Kapitel 21, § 259), und zwar aus der
Reflexion über den Antagonismus zwischen „Professoren" und „unabhängigen
Gelehrten": „Im Ganzen genommen, ist die Stallfütterung der Professuren am
geeignetesten für die Wiederkäuer. Hingegen Die, welche aus den Händen der
Natur die eigene Beute empfangen, befinden sich besser im Freien." (Schopen-
hauer 1873-1874, 6, 519).
In EH MA 3, KSA 6, 324 f. reflektiert N. seine frühere Philologenexistenz
noch einmal kritisch als eine (vielleicht allerdings notwendige) Abirrung. Dabei
nimmt er die Formulierungen aus der Druckmanuskript-Vorstufe von 320, 22-
321, 6 auf. Vgl. auch MA I 252, KSA 2, 210.
320, 27 f. darüber giebt diese Schrift eine unschätzbare Belehrung] In UB III SE
8 wollte N. „die Würde der Philosophie" (KSA 1, 425, 28 f. u. 427, 7 f.) rehabilitie-
ren und gab zu bedenken, „dass die Liebe zur Wahrheit etwas Furchtbares und
Gewaltiges" sei (427, 14 f.). Mit einem langen Emerson-Zitat sollte dort verdeut-
licht werden, wie gefährlich wahre Philosophie sein könne. „Nun, wenn solche
Denker gefährlich sind, so ist freilich deutlich, wesshalb unsre akademischen
Denker ungefährlich sind; denn ihre Gedanken wachsen so friedlich im Her-
kömmlichen, wie nur je ein Baum seine Aepfel trug: sie erschrecken nicht, sie
heben nicht aus den Angeln; und von ihrem ganzen Tichten und Trachten
wäre zu sagen, was Diogenes, als man einen Philosophen lobte, seinerseits
einwendete: ,Was hat er denn Grosses aufzuweisen, da er so lange Philosophie
treibt und noch Niemanden betrübt hat?' Ja, so sollte es auf der Grabschrift
der Universitätsphilosophie heissen: ,sie hat Niemanden betrübt.'" (426, 25-
427, 1).
Menschliches, Allzumenschliches.
322, 1-328, 25 Abschnitt 20 der Oktober-Fassung von EH enthielt anstelle
des späteren Kapitels über MA (322, 1-328, 25) den folgenden Text: „Mensch-
 
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