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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0544
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Stellenkommentar EH MAM, KSA 6, S. 327-328 521

Stunde, wo er mir die Entzückungen eingestand, die er dem Abendmahle abzu-
gewinnen wisse..." (KSA 15, 71).
6
Ein ähnlicher Text war zunächst auch für den Schluss von NW Wir Antipoden
vorgesehen, vgl. NK KSA 6, 425, 15. Der Abschnitt EH MA 6 wurde Naumann
in der zweiten Dezember-Hälfte 1888 mit dem Hinweis zugeschickt: „Als
Schlußparagraph zum Capitel, das von Menschliches, Allzumenschli-
ches handelt, hinzuzufügen" (KSA 14, 493 f., dort versehentlich EH MA 4
zugewiesen).
327, 27-328, 25 Wie ich damals (1876) über mich dachte, mit welcher ungeheu-
ren Sicherheit ich meine Aufgabe und das Welthistorische an ihr in der Hand
hielt, davon legt das ganze Buch, vor Allem aber eine sehr ausdrückliche Stelle
Zeugniss ab: nur dass ich, mit der bei mir instinktiven Arglist, auch hier wieder
das Wörtchen „ich" umgieng und dies Mal nicht Schopenhauer oder Wagner,
sondern einen meiner Freunde, den ausgezeichneten Dr. Paul Ree, mit einer welt-
historischen Glorie überstrahlte — zum Glück ein viel zu feines Thier, als dass...
Andre waren weniger fein: ich habe die Hoffnungslosen unter meinen Lesern,
zum Beispiel den typischen deutschen Professor, immer daran erkannt, dass sie,
auf diese Stelle hin, das ganze Buch als höheren Reealismus verstehn zu müssen
glaubten... In Wahrheit enthielt es den Widerspruch gegen fünf, sechs Sätze mei-
nes Freundes: man möge darüber die Vorrede zur Genealogie der Moral nachle-
sen. — Die Stelle lautet: welches ist doch der Hauptsatz, zu dem einer der kühns-
ten und kältesten Denker, der Verfasser des Buchs „über den Ursprung der
moralischen Empfindungen" (lisez: Nietzsche, der erste Immoralist) vermöge
seiner ein- und durchschneidenden Analysen des menschlichen Handelns gelangt
ist? „Der moralische Mensch steht der intelligiblen Welt nicht näher als der physi-
sche —denn es giebt keine intelligible Welt..." Dieser Satz, hart und schneidig
geworden unter dem Hammerschlag der historischen Erkenntniss (lisez:
Umwerthung aller Werthe) kann vielleicht einmal, in irgend welcher
Zukunft — 1890! — als die Axt dienen, welche dem „metaphysischen Bedürfniss"
der Menschheit an die Wurzel gelegt wird, — ob mehr zum Segen oder zum
Fluche der Menschheit, wer wüsste das zu sagen? Aber jedenfalls als ein Satz
der erheblichsten Folgen, fruchtbar und furchtbar zugleich und mit jenem D op-
pelblick in die Welt sehend, welchen alle grossen Erkenntnisse haben...] Die
fragliche „Stelle" steht in MA I 37, wo eingangs davon die Rede ist, dass „der
grausame Anblick des psychologischen Secirtisches und seiner Messer und
Zangen [...] der Menschheit nicht erspart bleiben" könne (KSA 2, 59, 29-31). Das
 
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