Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0557
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
534 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

sich die erste Formulierung des Gedankens der ewigen Wiederkunft befindet,
lautet: „Anfang August 1881 in Sils-Maria, / 6000 Fuss über dem Meere und
viel höher über allen menschlichen Dingen!" (NL 1881, KSA 9, 11[141], 494, 19-
21; Faksimile in CBT 492) Schon in seinem Brief an Köselitz vom 03. 09. 1883
betrachtete N. den in Sils-Maria konzipierten Gedanken der ewigen Wieder-
kunft als Keimzelle von Za: „Dieses Engadin ist die Geburtsstätte meines Zara-
thustra. Ich fand eben noch die erste Skizze der in ihm verbundenen Gedan-
ken; darunter steht ,Anfang August 1881 in Sils-Maria, 6000 Fuss über dem
Meere und viel höher über allen menschlichen Dingen."' (KSB 6, Nr. 461,
S. 444, Z. 22-26; vgl. EH Vorwort 4, KSA 6, 259, 17-21) Mit der in EH vorgenom-
menen Änderung des Wortlauts bindet N. den zitierten Ausspruch inhaltlich
noch stärker an den Gedanken der ewigen Wiederkunft an. Vgl. zur Höhenan-
gabe NK 270, 9f.
335, 9-12 Ich gieng an jenem Tage am See von Silvaplana durch die Wälder;
bei einem mächtigen pyramidal aufgethürmten Block unweit Surlei machte ich
Halt. Da kam mir dieser Gedanke.] Diese Darstellung bildet den Ausgangspunkt
für die häufige Mystifizierung des Gedankens der ewigen Wiederkunft in der
N.-Rezeption. Ein ekstatisch-euphorisches Moment in der Konzeption des
Gedankens lassen auch die Worte vermuten, die N. am 14. 08. 1881, also zeit-
gleich zu seiner Inspirationserfahrung, an Köselitz richtete: „An meinem Hori-
zonte sind Gedanken aufgestiegen, dergleichen ich noch nicht gesehn habe —
davon will ich nichts verlauten lassen, und mich selber in einer unerschütterli-
chen Ruhe erhalten. [...] Die Intensitäten meines Gefühls machen mich schau-
dern und lachen — schon ein Paarmal konnte ich das Zimmer nicht verlassen,
aus dem lächerlichen Grunde, daß meine Augen entzündet waren — wodurch?
Ich hatte jedesmal den Tag vorher auf meinen Wanderungen zuviel geweint,
und zwar nicht sentimentale Thränen, sondern Thränen des Jauchzens; wobei
ich sang und Unsinn redete, erfüllt von einem neuen Blick, den ich vor allen
Menschen voraus habe." (KSB 6, Nr. 136, S. 112, Z. 4-19).
In Sils-Maria im Engadin, wohin N. über St. Moritz durch die Vermittlung
eines Mitreisenden gelangt war (vgl. N. an Elisabeth N., 07. 07. 1881, KSB 6,
Nr. 121, S. 99), hielt er sich erstmals vom 4. Juli bis zum 1. Oktober 1881 auf
(vgl. CBT 488-495). Zu seinen bevorzugten Wanderungen gehörte die Umge-
hung des Silsersees und des Sees von Silvaplana. Ein „pyramidal aufgethürm-
ter Block" befindet sich noch heute am Ufer des Silvaplaner Sees zwischen
Sils-Maria und Surlej; ob es sich dabei tatsächlich um N.s Stein der Ewigen
Wiederkunft handelt, ist freilich nicht sicher (vgl. die Photographie in CBT
492).
335, 18-23 In einem kleinen Gebirgsbade unweit Vicenza, Recoaro, wo ich den
Frühling des Jahrs 1881 verbrachte, entdeckte ich, zusammen mit meinem
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften