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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0630
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Stellenkommentar EH WA, KSA 6, S. 362 607

dies getan hat, ist vor dem Hintergrund ihrer eher unglaubwürdigen Darstel-
lung des Vorgangs zumindest nicht auszuschließen: „...nach dem Tode meines
Mannes fand ich einen unsäglich traurigen und beleidigenden Brief meines
Bruders, der an meinen Mann gerichtet war, und außerdem ungefähr 5 Blät-
ter... die mir deshalb besonders weh taten, weil sie gegen meinen Mann und
Wagners gerichtet waren; einige spezielle Dinge sind mir noch in Erinnerung,
die ich Ihnen mittheilen werde. Von diesen Blättern trugen 2 den Vermerk,
daß sie in ein Capitel einzuordnen wären, und mein philologisches Gewissen
erlaubte mir nicht, daß sie vernichtet würden, obgleich mir der Inhalt des
einen Blattes teilweise sehr schmerzlich war... Diese beiden mit den Einfügun-
gen bezeichneten Blätter brachte ich im Original mit nach Deutschland, und
übergab sie meiner Mutter, die als Vormünderin damals allein über die Papiere
zu verfügen hatte, und die beiden Blätter existirten meiner Erinnerung nach
noch, als ich wieder nach Paraguay zurückging... Daß wir die Blätter beleidi-
genden Inhalts, die mein Bruder bei Ausbruch seiner Krankheit geschrieben
hatte, vernichten wollten, darüber war ich mit meiner Mutter ganz eines Sin-
nes... Dagegen waren die beiden Blätter, die ich aus Paraguay mitgebracht
hatte, vollkommen klar und ich nahm deshalb von beiden eine Abschrift ehe
ich nach Paraguay ging und zwar das eine auf die andere Hälfte des Briefbo-
gens worauf das Original stand, und malte Alles genau so nach, wie es auf
die andere Hälfte mein Bruder selbst geschrieben hatte." (Förster-N. an Raoul
Richter, den ersten Herausgeber von EH, 22. 06. 1908, KSA 14, 507 f.) Die „Blät-
ter beleidigenden Inhalts", so auch den Paraguay-Zettel, habe N.s Mutter später
vernichtet. Das zweite Paraguay-Blatt hingegen sei nicht verbrannt worden.
Dieses Blatt, das zu NW gehörte (Kap. „Wir Antipoden"), ist in der Tat erhalten
und befindet sich heute in der Mappe XVI 5 (zitiert in NK KSA 6, 425, 15). Es
ist von N. beidseitig beschrieben: Auf seiner Rückseite findet sich eine Vorstufe
zu EH Warum ich so klug bin 6 sowie ein Briefentwurf an Cosima Wagner von
Ende Dezember 1888 (KSB 8, Nr. 1211, S. 551). Da N. diesen Text nicht gestri-
chen hat, ist davon auszugehen, dass er das Blatt als Ganzes, trotz des Hinwei-
ses für den Drucker auf der Vorderseite, nicht für den Druck bestimmt hat. Auf
der Vorderseite des Blattes findet sich weiter ein Text, den N. für die Abfassung
von EH MA 6 benutzte; es dürfte sich also um einen von N. verworfenen und
dann anderweitig verwendeten Text handeln. Falls N. diesen Text tatsächlich
nach Paraguay geschickt haben sollte, so wäre dies nach Montinari „keine
Fehladressierung gewesen" (KSA 14, 508): In den ersten Tagen seines geistigen
Zusammenbruchs, als N. in Turin frenetisch Briefe produzierte und verschickte,
könnte er durchaus einen „unsäglich traurigen und beleidigenden Brief" an
seinen ungeliebten Schwager gesandt und einige der von ihm verworfenen,
aber besonders polemischen Schriftstücke beigelegt haben. In diesem Fall wäre
 
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