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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0650
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Stellenkommentar EH Schicksal, KSA 6, S. 370-371 627

das nicht seines Gleichen hat, eine wirkliche Katastrophe: man lebt vor ihr
oder nach ihr. Der Blitz der Wahrheit traf das, was bisher am Höchsten stand:
wer begreift, was da vernichtet wurde, mag zusehn, ob er überhaupt hinter-
drein noch Etwas in den Händen hat. Wer die Moral entdeckt, hat den Unwerth
aller Werthe überhaupt mitentdeckt, an die man glaubt: er sieht in den verehr-
testen, in den heilig gesprochenen Typen des Menschen nichts Ehrwürdiges, —
er sieht die verhängnißvollste Art von Mißgeburten darin, verhängnißvoll, weil
sie fascinirten... Er sieht in dem Begriff ,Gott' alles Schädliche, Verleumde-
rische, Vergiftende, Heimlich-Blutsaugende, die eigentliche Todfeind-
schaft gegen das Leben in eine entsetzliche Einheit gebracht. Der Begriff
,Jenseits' erfunden, um das Diesseits zu entwerthen, um kein Ziel, keine
letzte Vernunft in der wirklichen Welt anzuerkennen. Der Begriff ,Seele'
,Geist', zuletzt gar noch ,unsterbliche Seele' erfunden, um den Leib zu
Schanden zu machen. Der Begriff ,Sünde' erfunden, um zu den Grundin-
stinkten des Lebens das Vertrauen zu untergraben. Im Werthe des ,Selbstlo-
sen' das eigentliche Krankheits-Abzeichen zum Werthzeichen, zur ,Pflicht',
zur ,Tugend', zum Typus der Göttlichkeit selbst gemacht. — Hat man mich
verstanden?... Wer hierüber aufklärt, ist eine force majeure, wie das Schick-
sal, er ist das Schicksal selbst, er bricht in-seiner—Hand die Geschichte der
Menschheit in zwei Hälften auseinander — in ein Vorher, in ein Nachher."
Hierauf folgte in der Oktober-Fassung der oben in 335, 4-337, 15 mitgeteilte
Abschnitt 24. In der Zwischenstufen-Version des ersten Vorwortes (Abschnitt 7)
gibt es zum Schluss folgenden Text: „7. / — Hat man mich verstanden? Wer
über die Moral aufklärt, ist eine force majeure, ein Schicksal, — er bricht die
Geschichte der Menschheit in zwei Stücke. — Dies soll mich nicht hindern, der
heiterste Mensch, ein Halkyonier zu sein, ich habe selbst ein Recht darauf:
wer erwies je der Menschheit einen größeren Dienst? — Ich bringe ihr die
allerfroheste Botschaft... / Friedrich Nietzsche" (KSA 14, 512). Im
Manuskript folgt ein Hinweis für den Drucker: „Darauf ein Blatt, auf dem nur
die Worte stehn: / Wie man wird, was man ist. / Turin, den 15. Oktober
1888" (ebd.).
6
370, 29-371, 1 Aber ich habe auch noch in einem andren Sinne das Wort
Immoralist zum Abzeichen, zum Ehrenzeichen für mich gewählt; ich bin stolz
darauf, dies Wort zu haben, das mich gegen die ganze Menschheit abhebt. Nie-
mand noch hat die christliche Moral als unter sich gefühlt] „Immoralist"
erhält hier also die Bedeutung von „Antichrist". Dass die beiden Begriffe Ende
 
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