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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0696
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Stellenkommentar DD Wille, KSA 6, S. 387 673

erste Fassung N. im Herbst 1883 niedergeschrieben hat (NL 1883, KSA 10, 20[ll],
594), umkreist identifikatorisch die Figur eines „Freundes". Dieser ist biogra-
phisch als Vorbild richtigen Sterbens nicht direkt fassbar, soweit man nicht
eine Anspielung auf den blasphemischen Dichter und das alkoholsüchtige
Naumburger Stadtoriginal Ernst Ortlepp (1800-1864), den N. gut kannte, darin
erkennen will (vgl. z. B. Lier 2010, 1, 499), oder aber auf den früh verstorbenen
Jugendfreund Ernst von Gersdorff (1840-1867), dessen Tod N. tief erschüttert
hat (vgl. Peter Pütz in Nietzsche 1992, 337). Da N. in mehreren seiner Dionysos-
Dithyramben Projektionsfiguren einführt, die sowohl als Identifikationsmodelle
wie als Medien der Verfremdung fungieren, ist auch hier mit einer solchen
Operation zu rechnen. Eine dieser Projektionsfiguren ist Dionysos, den er
schon in GT mit seinem eigenen Konzept des ,Dionysischen' ineinssetzte und
mit dem er sich am Ende noch identifizierte, indem er ihn zum „Symbol" seiner
weltanschaulichen Botschaft machte, bis er schließlich sogar einige der soge-
nannten Wahnsinnszettel mit dem Namen des Gottes unterzeichnete, der bei
den Griechen auch ein Gott des Wahnsinns war. Auf Dionysos, den zum Ideal
erhobenen Gott und die frühe Identifikation mit ihm könnte zunächst die
Bezeichnung „göttlich" und die Beschwörung einer „dunklen Jugend" zutreffen
(dem Mythos zufolge wurde Dionysos als Kind in einem Wald verborgen und
dort — in Nysa — von Nymphen erzogen), im Folgenden dann, dass „er ster-
bend siegte" (388, 13), denn diese Formulierung legt eine Anspielung auf
den zerrissenen und dann zu neuem Leben wiedergeborenen Dionysos Zagreus
nahe, auf dessen Schicksal N. in GT eingeht. Schließlich dürfte in eine solche
Beziehung auf Dionysos, der „sterbend" siegte und zugleich „vernichtend"
wirkte, der Gedanke an N.s Lieblingsphilosophen, an Heraklit hereinwirken,
der in einem seiner Fragmente Dionysos, den Gott der Fruchtbarkeit und
rauschhaften Lebensfreude, mit dem Toten- und Unterweltgott Hades gleich-
setzt, um damit seine pantheistisch grundierte Lehre von der Einheit der
Gegensätze mythologisch zu illustrieren: „Derselbe aber ist Hades und Diony-
sos, dem sie im Wahnsinn huldigen und ihr Lenäenfest [ein Weinfest] feiern!"
(„ei pq ydp Atovvow nopnqv enoioüvTO Kai vpveov aapa aiöoioioiv, dvaiöeo-
TaTa eipyaaf av° wuTog äe AiSr^ Kai Aiövvooq, Ötew paivovTat Kai Äpvafcov-
otv." Diels / Kranz 1951, 22 B 15, vgl. NK KSA 6, 352, 6 f.). Neben derartigen
Dionysos-Assoziationen (Overbeck notierte: „Dionys, ist nur eine poetische
Hülle für seine Meinung" - Overbeck 1999, 7/2, 99), die N. in seinen auf diesen
Gott bezogenen ,Dithyramben' auch sonst wachruft, kommt mit kalkuliertem
Synkretismus seine andere bevorzugte Projektionsfigur ins Spiel: Zarathustra,
mit dem er sich in mehreren seiner Dithyramben unter Nennung des Namens —
mehrfach im alsbald folgenden Dithyrambus Zwischen Raubvögeln — identifi-
ziert. Zarathustra wird von N. immer wieder als „Tänzer" dargestellt, nach dem
 
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