Stellenkommentar DD Ruhm, KSA 6, S. 402-405 693
ziehn, wenn man das neue Testament liest. Die Nähe von so viel Unreinlichkeit
zwingt beinahe dazu" (KSA 6, 223, 20-22).
404, 1-3 Vor allen Tugendhaften / will ich schuldig sein, / schuldig heissen mit
jeder grossen Schuld!] Vgl. NL 1888, KSA 13, 20[112], 568: „schuldig sein mit
der größten Schuld, / — und alle Tugenden sollen noch / vor meiner Schuld
auf den Knieen liegen — ".
404, 5-7 wird mein Ehrgeiz zum Wurm —, / unter Solchen gelüstet's mich, / der
Niedrigste zu sein...] In einer Vorstufe heißt es nach KSA 14, 517 stattdessen:
„mit erdrosseltem Ehrgeize / unter solchen gelüstet's mich, / der Letzte zu
sein". N. spielt auf die christologische Gedankenfigur der Kenosis an, den Ver-
zicht Christi auf seine göttlichen Attribute und damit seine äußerste Selbster-
niedrigung (vgl. Philipper 2, 5-11). Zum Wurm-Motiv NK 6, 64, 5-7.
404, 14 Still! —] Vgl. den Überblickskommentar zu diesem Dithyrambus. Das
gleiche Signal kündigt die ekstatisch-inspirative Erfahrung im folgenden, letz-
ten Dithyrambus an: Von der Armuth des Reichsten, wo es sich in dreifacher
Wiederholung steigert (408, 7; 408, 14; 408, 24).
404, 18 meine entzückte Weisheit!] Der ursprünglichen Wortbedeutung ent-
sprechend besagt „entzückt": ,begeistert', ,ekstatisch erregt', ähnlich wie ,ver-
zückt'.
404, 21 — oh Nacht, oh Schweigen, oh todtenstiller Lärm!...] Die dreifache excla-
matio signalisiert den Höhepunkt der ekstatischen Erfahrung, die schon durch
das dreifache „Ich sehe" als Vision inszeniert wird. Das Oxymoron „todtenstil-
ler Lärm", das an ähnliche Ausdrucksmittel des barocken Manierismus erin-
nert, weist auf die paradoxe Erfahrung einer Einheit der Gegensätze im ekstati-
schen Augenblick.
404, 26-28 Höchstes Gestirn des Seins! / Ewiger Bildwerke Tafel! / Du kommst
zu mir? —] Zur Evokation von Vorstellungen, die schon im Zarathustra entwi-
ckelt wurden, hier und im Folgenden vgl. den Überblickskommentar zu diesem
Dithyrambus.
405, 1-4 Was Keiner erschaut hat, / deine stumme Schönheit, — / wie? sie flieht
vor meinen Blicken nicht? // Schild der Nothwendigkeit!] In der von KSA 14, 517
mitgeteilten Vorstufe lauten die Verse: „Schild der Nothwendigkeit! / Ewiger
Bildwerke Tafel / An deiner stummen Schönheit / Kühlt sich mein heißes
Herz".
405, 4-12 Schild der Nothwendigkeit! / Ewiger Bildwerke Tafel! / — aber du
weisst es ja: I was Alle hassen, / was allein ich liebe, / dass du ewig bist! /
dass du nothwendig bist! / Meine Liebe entzündet / sich ewig nur an der
ziehn, wenn man das neue Testament liest. Die Nähe von so viel Unreinlichkeit
zwingt beinahe dazu" (KSA 6, 223, 20-22).
404, 1-3 Vor allen Tugendhaften / will ich schuldig sein, / schuldig heissen mit
jeder grossen Schuld!] Vgl. NL 1888, KSA 13, 20[112], 568: „schuldig sein mit
der größten Schuld, / — und alle Tugenden sollen noch / vor meiner Schuld
auf den Knieen liegen — ".
404, 5-7 wird mein Ehrgeiz zum Wurm —, / unter Solchen gelüstet's mich, / der
Niedrigste zu sein...] In einer Vorstufe heißt es nach KSA 14, 517 stattdessen:
„mit erdrosseltem Ehrgeize / unter solchen gelüstet's mich, / der Letzte zu
sein". N. spielt auf die christologische Gedankenfigur der Kenosis an, den Ver-
zicht Christi auf seine göttlichen Attribute und damit seine äußerste Selbster-
niedrigung (vgl. Philipper 2, 5-11). Zum Wurm-Motiv NK 6, 64, 5-7.
404, 14 Still! —] Vgl. den Überblickskommentar zu diesem Dithyrambus. Das
gleiche Signal kündigt die ekstatisch-inspirative Erfahrung im folgenden, letz-
ten Dithyrambus an: Von der Armuth des Reichsten, wo es sich in dreifacher
Wiederholung steigert (408, 7; 408, 14; 408, 24).
404, 18 meine entzückte Weisheit!] Der ursprünglichen Wortbedeutung ent-
sprechend besagt „entzückt": ,begeistert', ,ekstatisch erregt', ähnlich wie ,ver-
zückt'.
404, 21 — oh Nacht, oh Schweigen, oh todtenstiller Lärm!...] Die dreifache excla-
matio signalisiert den Höhepunkt der ekstatischen Erfahrung, die schon durch
das dreifache „Ich sehe" als Vision inszeniert wird. Das Oxymoron „todtenstil-
ler Lärm", das an ähnliche Ausdrucksmittel des barocken Manierismus erin-
nert, weist auf die paradoxe Erfahrung einer Einheit der Gegensätze im ekstati-
schen Augenblick.
404, 26-28 Höchstes Gestirn des Seins! / Ewiger Bildwerke Tafel! / Du kommst
zu mir? —] Zur Evokation von Vorstellungen, die schon im Zarathustra entwi-
ckelt wurden, hier und im Folgenden vgl. den Überblickskommentar zu diesem
Dithyrambus.
405, 1-4 Was Keiner erschaut hat, / deine stumme Schönheit, — / wie? sie flieht
vor meinen Blicken nicht? // Schild der Nothwendigkeit!] In der von KSA 14, 517
mitgeteilten Vorstufe lauten die Verse: „Schild der Nothwendigkeit! / Ewiger
Bildwerke Tafel / An deiner stummen Schönheit / Kühlt sich mein heißes
Herz".
405, 4-12 Schild der Nothwendigkeit! / Ewiger Bildwerke Tafel! / — aber du
weisst es ja: I was Alle hassen, / was allein ich liebe, / dass du ewig bist! /
dass du nothwendig bist! / Meine Liebe entzündet / sich ewig nur an der