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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0762
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Stellenkommentar NW Musik, KSA 6, S. 423 739

423, 12 f. Wagnerianer!...] Den folgenden Satz hat N. im Druckmanuskript
gestrichen: „Aber das espressivo um jeden Preis ist der Beweis für decadence."
(KSA 14, 524) Vgl. NK 422, 26 f. Die jeweils gestrichenen Schlusssätze zur deca-
dence hätten die verschlankte Gedankenführung durch ein weiteres Motiv wie-
derum kompliziert, was die Eindeutigkeit der antiwagnerischen Botschaft
womöglich beeinträchtigt hätte.

Eine Musik ohne Zukunft.
Die Vorlage dieses Abschnitts ist MA II VM 171, KSA 2, 450-453. Die Überschrift
lautet dort: „Die Musik als Spätling jeder Cultur." (KSA 2, 450, 2) Zu
MA II VM 171 gibt es mehrere Vorarbeiten, die in KSA 14, 172 f. mitgeteilt wer-
den. Im Laufe der Überarbeitung fand eine immer stärkere historische Konkre-
tisierung statt.
423, 14 Eine Musik ohne Zukunft.] Der Titel ist die ironische Umkehrung des
Ausdrucks „Zukunftsmusik", mit dem Wagners Schaffen charakterisiert zu wer-
den pflegte. Freilich erscheint die Wortgeschichte von „Zukunftsmusik" recht
unklar. Wagner selbst suggerierte, der Begriff sei als polemische Wendung
gegen ihn erfunden worden. In seinen Erläuterungen Zur Widmung der zweiten
Auflage von Oper und Drama hieß es: „Der Überschrift des dritten Theiles:
,Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft', ward eine ,Zukunftsmusik'
entnommen, zur Bezeichnung einer neuesten ,Richtung' der Musik, als deren
Begründer ich unvorsichtiger Weise zu völliger Weltberühmtheit gebracht wor-
den bin." (Wagner 1907, 8, 196) In den Aufidärungen über das Judenthum in
der Musik (1869) schrieb Wagner schließlich im Blick auf die Rezeption seines
antisemitischen Aufsatzes Das Judenthum in der Musik (1850): „Dagegen
tauchte zunächst [...] ein Professor Bischoff, in der Kölnischen Zeitung mit der
Begründung des von jetzt an gegen mich befolgten Systemes der Verleumdung
auf: dieser hielt sich an meine Kunstschriften, und verdrehte meine Idee eines
,Kunstwerkes der Zukunft' in die lächerliche Tendenz einer ,Zukunftsmusik',
nämlich etwa einer solchen, welche, wenn sie jetzt auch schlecht klänge, mit
der Zeit sich doch gut ausnehmen würde. Des Judenthums ward von ihm mit
keinem Worte erwähnt, im Gegentheil steifte er sich darauf, Christ und
Abkömmling eines Superintendenten zu sein. Dagegen hatte ich Mozart, und
selbst Beethoven für Stümper erklärt, wollte diese Melodie abschaffen, und
künftig nur noch psalmodiren lassen. / Sie werden, verehrte Frau, noch heute,
sobald von ,Zukunftsmusik' die Rede ist, nichts Anderes vernehmen als diese
Sätze. Bedenken Sie, mit welch' macht voller Nachhaltigkeit diese absurde Ver-
leumdung aufrecht erhalten und verbreitet worden sein muß, da neben der
 
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