Physiognomik der deutschen Volksstämme. 5
kieferwinkel herum und unter dem Kinn. Dadurch wird das Schwer-
gewicht der unteren Antlitzhälfte begreiflicherweise noch verstärkt.
Die Profilansicht ist (wie bei den Schwaben) untypisch.
B. Theoretisches.
Angesichts dieser Tatbestände erhebt sich aufs neue die Frage, ob
sie nicht, im wesentlichen auf Rassekennzeichen zurückzuführen
seien. Wie man versucht hat, das schwäbische Gesicht als den Typus des
alpinen Menschen, das fränkische Gesicht als Einkreuzung alpiner Merk-
male ins nordische Rassegesicht zu erklären1), so würde Entsprechendes
für das fälische Gesicht (H. Alp.) und sächsische Gesicht (Kreuzung von
H. Alp. mit H. Nord., wie fränkisches Gesicht) zutreffen, während das
bayrische Gesicht sich etwa auf die Rasseformel einer Einkreuzung
dinarischer Merkmale (langes Gesicht, besonders langes Kinn) in nordische,
alpine oder mittelmeerische Grundform bringen ließe.
Die physiognomischen Rassetypen haben aber einen ganz schweren
Stoß durch Kretschmers Entdeckung der Hauptkonstitutionstypen
empfangen. Zwar ist versucht worden, diese Typen (die Konstitutionen)
als verkannte Rassetypen auszulegen.2) Diese Deutung leidet aber an
dem Mangel, daß dann (wofern sie nicht auch Kretschmers psycho-
patholog. These mit anficht) im Bereich der alpinen Rasse das zyklische
Irresein, im Bereich der nordischen Rasse die Schizophrenie vorherr-
schende Geistesstörungen sein müßten. Dafür fehlt jeder Beweis, und
alle Erfahrung spricht dagegen.
Es ist im Gegenteil eine bisher zu wenig beachtete Tatsache, daß
sowohl die nordische als auch die mittelmeerische Rasse die beiden
Konstitutionstypen Kretschmers in sich enthalten, während allerdings
der asthenische Typus bei der alpinen Rasse zu fehlen oder nur ganz ver-
waschen aufzutreten scheint. Wenn wir die Kretschmerschen Typen
nach ihrer rein körperlichen Eigentümlichkeit einmal kurzhin als ,,Schma-
ling“ (Kretschmers Astheniker) und ..Dralling“ (Kretschmers Pykniker)
bezeichnen3), so kann keinem unbefangenen Beobachter zweifelhaft sein,
daß es massenhaft nordische Drallinge neben nordischen Schmalingen
und mittelmeerische Drallinge neben mittelmeerischen Schmalingen gibt,
während die herkömmliche Merkmalsbeschreibung die nordische und
P S. meine Vorl. Mittig, a. d. Heidelb. Akademie 1921, S. 10.
2) Stern - Pieper s Abhandlungen im Jahrg. 1923 d. „Zeitschr. f. Psychiatrie
u. Neurologie“ und Bd. 67 d. „Archiv f. Psychiatrie“.
3) Vorschlag in meinem Vortrag auf der 48. Vers, südwestd. Nerven- und
Irrenärzte in Baden - Baden 1923.
kieferwinkel herum und unter dem Kinn. Dadurch wird das Schwer-
gewicht der unteren Antlitzhälfte begreiflicherweise noch verstärkt.
Die Profilansicht ist (wie bei den Schwaben) untypisch.
B. Theoretisches.
Angesichts dieser Tatbestände erhebt sich aufs neue die Frage, ob
sie nicht, im wesentlichen auf Rassekennzeichen zurückzuführen
seien. Wie man versucht hat, das schwäbische Gesicht als den Typus des
alpinen Menschen, das fränkische Gesicht als Einkreuzung alpiner Merk-
male ins nordische Rassegesicht zu erklären1), so würde Entsprechendes
für das fälische Gesicht (H. Alp.) und sächsische Gesicht (Kreuzung von
H. Alp. mit H. Nord., wie fränkisches Gesicht) zutreffen, während das
bayrische Gesicht sich etwa auf die Rasseformel einer Einkreuzung
dinarischer Merkmale (langes Gesicht, besonders langes Kinn) in nordische,
alpine oder mittelmeerische Grundform bringen ließe.
Die physiognomischen Rassetypen haben aber einen ganz schweren
Stoß durch Kretschmers Entdeckung der Hauptkonstitutionstypen
empfangen. Zwar ist versucht worden, diese Typen (die Konstitutionen)
als verkannte Rassetypen auszulegen.2) Diese Deutung leidet aber an
dem Mangel, daß dann (wofern sie nicht auch Kretschmers psycho-
patholog. These mit anficht) im Bereich der alpinen Rasse das zyklische
Irresein, im Bereich der nordischen Rasse die Schizophrenie vorherr-
schende Geistesstörungen sein müßten. Dafür fehlt jeder Beweis, und
alle Erfahrung spricht dagegen.
Es ist im Gegenteil eine bisher zu wenig beachtete Tatsache, daß
sowohl die nordische als auch die mittelmeerische Rasse die beiden
Konstitutionstypen Kretschmers in sich enthalten, während allerdings
der asthenische Typus bei der alpinen Rasse zu fehlen oder nur ganz ver-
waschen aufzutreten scheint. Wenn wir die Kretschmerschen Typen
nach ihrer rein körperlichen Eigentümlichkeit einmal kurzhin als ,,Schma-
ling“ (Kretschmers Astheniker) und ..Dralling“ (Kretschmers Pykniker)
bezeichnen3), so kann keinem unbefangenen Beobachter zweifelhaft sein,
daß es massenhaft nordische Drallinge neben nordischen Schmalingen
und mittelmeerische Drallinge neben mittelmeerischen Schmalingen gibt,
während die herkömmliche Merkmalsbeschreibung die nordische und
P S. meine Vorl. Mittig, a. d. Heidelb. Akademie 1921, S. 10.
2) Stern - Pieper s Abhandlungen im Jahrg. 1923 d. „Zeitschr. f. Psychiatrie
u. Neurologie“ und Bd. 67 d. „Archiv f. Psychiatrie“.
3) Vorschlag in meinem Vortrag auf der 48. Vers, südwestd. Nerven- und
Irrenärzte in Baden - Baden 1923.