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Mayer, Adolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1927, 7. Abhandlung): Naturwissenschaftliche Volkswirtschaftslehre — Berlin, Leipzig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.43534#0009
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Naturwissenschaftliche Volkswirtschaftslehre ?

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Grenzen zu bannen, wird es vielleicht möglich sein, diese Dinge wissen-
schaftlich säuberlich, d. h. ganz unberührt von der Leidenschaft des
täglichen Geschehens zu behandeln. Dieser Weg ist bisher nm von einer
europäischen Nation mit äußerem Erfolge betreten, nämlich in Italien
unter Mussolini. In England wird er von Regierungswegen versucht.
Der deutsche Stahlhelm scheint nicht kräftig genug, es den Schwarz-
hemden gleich zu tun. Also überall Fragezeichen, und einstweilen wird
es in der Welt beim leidigen Politisieren bleiben. Dies zu meiner Ent-
schuldigung. Erst wenn der Streik, an den man sich schon als an ein
erlaubtes Kampfmittel gewöhnt hat, als in seinem Wesen seinem eigenen
Zwecke ins Gesicht schlagend und also als typisch unsozial erkannt ist,
erst wenn man auch dem Luxus gegenüber eine ähnliche ablehnende
Stellung gewonnen haben wird, ist eine endgültige Lösung der sozialen,
bis dahin eine jede Volkseinheit bedrohenden Frage, möglich. Das ist
wissenschaftlich erweisbar und sollte über dem Zanke der Parteien stehen.
Also -— zum Schlüsse noch einmal zusammenfassend — das sind
nach meiner Weise zu sehen die beiden Angelpunkte der großen welt-
bewegenden sozialen Frage: Einerseits die billige Beschränkung des
Streikrechts der Arbeitenden, durch welche diese in die ihr Urteils-
vermögen weit übersteigende Lage versetzt worden sind, den Preis ihrer
Leistung einseitig nach ihren Lebensansprüchen festzusetzen und anderer-
seits die lässige Haltung der Verbrauchenden zum Probleme des
Luxus, der, wenn nicht nach billigen sozialen Gesichtspunkten ein-
geschränkt -— immer wieder den Löwenanteil des Arbeitsproduktes zu
verschlingen droht und auf diese Weise die Frage einer praktischen
Lösung entzieht. Vernünftige Schranken auf beiden Seiten sind un-
umgänglich, und mir will es scheinen, als ob die zur Zeit herrschende,
mehr juristisch als naturwissenschaftlich orientierte Volkswirtschafts-
lehre diese wichtigen Gesichtspunkte etwas aus den Augen verloren habe.
 
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