Wurzeln der Medizin.
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herein, weil die Konstitutionen vielfache Beziehung zur inneren Sekre-
tion, also zu Drüsen mit Absonderung von Reiz- und Wachstums-
stoffen aus spezifisch geformten Zellen haben. Mit diesen Betrachtungen
sind wir mitten im heutigen Hoffen und Schaffen.
Ein anderer kräftiger Zweig der Humoralpathologie ragt auch in
unsere Zeit hinein. Er hat mit der Chemiatrie des Paracelsus begonnen,
hat sich vom 17. Jahrhundert an der Entwicklung der Chemie immer mehr
angeschlossen und ist heute Biochemie, die Anwendung des chemischen
Rüstzeuges auf das Lebendige mit der Eiweißchemie im Mittelpunkt,
deren hervorragender Vertreter mein Vorgänger im gegenwärtigen Amte
war (Albrecht Kossel).
Aus dem Stammbaum der Chemiatrie wächst noch ein Ast hervor.
Das ist die Colloidchemie. Wir sehen aber in allen Trägern des Lebens,
ob Zellen oder Körperflüssigkeiten, Colloide von unbegrenzten chemischen
Möglichkeiten, d. h. Aufschwemmungen und Suspensionen von Teilchen
von der Größe eines zehntausendstel bis millionstel Millimeters, wovon
die zu vier millionstel unter Umständen noch sichtbar sind, wodurch eine
ungeheure Oberflächenvergrößerung mit all ihren Vorteilen für den
Ablauf chemischer Reaktionen erzielt wird. Dieser jüngste Ast der
Chemie scheint die meisten Früchte zu tragen. Die Colloidchemie hat
den Gegensatz von humores und solida überbrückt, denn bei Gemengen
von flüssigen, festen und gequollenen Massen, als welche wir Zellen,
Gewebe und Körperflüssigkeiten auffassen müssen, hat die Frage nach
dem Aggregatszustand keinen rechten Sinn mehr.
Seitdem durch Harvey das Blut in den Vordergrund gerückt worden
war, hat sich die Hämatologie, als rechtmäßige Erbin und Nachfolgerin
der Humoralpathologie, der Pflege dieses ganz besonderen Saftes
mit Eifer und Erfolg angenommen. Aber ohne ihren Ursprung zu ver-
leugnen, drehen sich doch ihre wichtigsten Fragen heute um die Zellen
des Blutes und ihre Herkunft und Abstammung (Stammbäume), um
Zahl und Art der roten Blutkörperchen, um das Zahlenverhältnis
der verschiedenartigen farblosen Blutzellen, denn alle diese Dinge
bestimmen das charakteristische Blutbild. Sie ist wieder ganz cellulär
geworden.
Da das Blutserum sich als geeigneten Nährboden für Bakterien aus-
gewiesen hat, ist die Serologie aus der Bakteriologie hervorgewachsen
und zu einer selbständigen Disziplin geworden. Die Blutflüssigkeit
ist der Sitz wunderbarer biologischer Reaktionen, die der Abwehr fremd-
artiger Stoffe dienen. Es sind fermentartige Schutzstoffe, die auf beson-
dere Reize abgestimmt sind, oder wie der Fachausdruck lautet: Antigene
lösen die Bildung gegen sich abgestimmter Antikörper aus, so die
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herein, weil die Konstitutionen vielfache Beziehung zur inneren Sekre-
tion, also zu Drüsen mit Absonderung von Reiz- und Wachstums-
stoffen aus spezifisch geformten Zellen haben. Mit diesen Betrachtungen
sind wir mitten im heutigen Hoffen und Schaffen.
Ein anderer kräftiger Zweig der Humoralpathologie ragt auch in
unsere Zeit hinein. Er hat mit der Chemiatrie des Paracelsus begonnen,
hat sich vom 17. Jahrhundert an der Entwicklung der Chemie immer mehr
angeschlossen und ist heute Biochemie, die Anwendung des chemischen
Rüstzeuges auf das Lebendige mit der Eiweißchemie im Mittelpunkt,
deren hervorragender Vertreter mein Vorgänger im gegenwärtigen Amte
war (Albrecht Kossel).
Aus dem Stammbaum der Chemiatrie wächst noch ein Ast hervor.
Das ist die Colloidchemie. Wir sehen aber in allen Trägern des Lebens,
ob Zellen oder Körperflüssigkeiten, Colloide von unbegrenzten chemischen
Möglichkeiten, d. h. Aufschwemmungen und Suspensionen von Teilchen
von der Größe eines zehntausendstel bis millionstel Millimeters, wovon
die zu vier millionstel unter Umständen noch sichtbar sind, wodurch eine
ungeheure Oberflächenvergrößerung mit all ihren Vorteilen für den
Ablauf chemischer Reaktionen erzielt wird. Dieser jüngste Ast der
Chemie scheint die meisten Früchte zu tragen. Die Colloidchemie hat
den Gegensatz von humores und solida überbrückt, denn bei Gemengen
von flüssigen, festen und gequollenen Massen, als welche wir Zellen,
Gewebe und Körperflüssigkeiten auffassen müssen, hat die Frage nach
dem Aggregatszustand keinen rechten Sinn mehr.
Seitdem durch Harvey das Blut in den Vordergrund gerückt worden
war, hat sich die Hämatologie, als rechtmäßige Erbin und Nachfolgerin
der Humoralpathologie, der Pflege dieses ganz besonderen Saftes
mit Eifer und Erfolg angenommen. Aber ohne ihren Ursprung zu ver-
leugnen, drehen sich doch ihre wichtigsten Fragen heute um die Zellen
des Blutes und ihre Herkunft und Abstammung (Stammbäume), um
Zahl und Art der roten Blutkörperchen, um das Zahlenverhältnis
der verschiedenartigen farblosen Blutzellen, denn alle diese Dinge
bestimmen das charakteristische Blutbild. Sie ist wieder ganz cellulär
geworden.
Da das Blutserum sich als geeigneten Nährboden für Bakterien aus-
gewiesen hat, ist die Serologie aus der Bakteriologie hervorgewachsen
und zu einer selbständigen Disziplin geworden. Die Blutflüssigkeit
ist der Sitz wunderbarer biologischer Reaktionen, die der Abwehr fremd-
artiger Stoffe dienen. Es sind fermentartige Schutzstoffe, die auf beson-
dere Reize abgestimmt sind, oder wie der Fachausdruck lautet: Antigene
lösen die Bildung gegen sich abgestimmter Antikörper aus, so die