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Ernst, Paul; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1928, 12. Abhandlung): Wurzeln der Medizin: Festrede ... am 10. Juni 1928 — Berlin, Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.43554#0010
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10

Paul Ernst:

Bakterien ein bakterienlösendes oder zusammenballendes, die Zellen
ein zellenlösendes, Blut ein blutlösendes, artfremdes Eiweiß ein fällendes
oder verdauendes Ferment, Gifte erzeugen Gegengifte. Das Antigen
wird vom Antikörper gebunden und damit unschädlich gemacht. Das
ist der Sinn der Immunität. Auf Grund dieser Reaktionen gelingt es
Menschenblut von Tierblut zu unterscheiden, aber auch innerhalb einer
Familie verschiedene Blutgruppen festzustellen und ähnliche Gruppen
für die Blutübertragung passend auszuwählen. Aber schon erhebt sich
hinter diesen humoralen Reaktionen die Zelle, denn wo sollen diese
Stoffe anders gebildet werden, als in der reizbaren arbeitenden Zelle ?
Auch die Serologie, die so lange als das Bollwerk der Humoralpathologie
galt, wird wieder cellulär.
II.
Wie eine Wurzel der Medizin auf Empedokles zurückführt, so
liegt eine zweite in Demokrit, der die Atomlehre des Leukippos
ausbaute und bereicherte: Es gibt kein Werden und Vergehen, alles
Entstehen besteht im Zusammentreten getrennter, alles Vergehen in
der Trennung verbundener Atome. Diese Atome erfüllen den Raum,
ungeworden, unvergänglich, gleichartig, nur durch Gestalt, Größe,
Härte, Lage und Ordnung verschieden, worauf die Eigenschaften der
Dinge beruhen. Das Feuer des Empedokles besteht aus kleinen glatten
runden Atomen, die übrigen Elemente sind gemischt, aus verschieden
großen Atomen. Alle qualitativen Verhältnisse werden auf quan-
titative zurückgeführt, was noch heute der Grundsatz der Natur-
wissenschaft ist. So wie das Feuer besteht auch die Seele aus feinen
glatten, runden, beweglichen Atomen. Es gibt keinen Zufall, alles ist
mechanische Notwendigkeit (ävaywr], X6yo<;). Während die Elemente des
Anaxagoras, verschieden an Gestalt, Farbe und Geschmack, der heutigen
Chemie eher entsprechen, ist die Lehre des Demokrit physikalisch und
mechanistisch und alle beide materialistisch. Glückseligkeit und Gesund-
heit ist Harmonie und Symmetrie der Teile (a^/zovta, $v/qu,8T(Ma). Auf
diese Lehre baut der Bithynier Asklepiades in Rom ums Jahr 100
vor Christi Geburt ein System, die sog. Methode oder Solid ar -
pathologie. Atome treten zusammen und bilden zwischen sich Poren,
in deren feinsten flüssige Atome kreisen. Werden die Poren zu eng,
die Atome zu dick, stockt die Bewegung, so ist das Leben bedroht und
die Zirkulation muß hergestellt werden. Der Tonus hängt von der Weite
der Poren ab. Zusammenziehung (Tonus) verengert, Erschlaffung (Atonie)
erweitert die Poren. So werden Status strictus, Status laxus und
Status mixtus unterschieden und wir haben die Gegensätze Tonus
 
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