Wurzeln der Medizin.
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so gut wie das andere. Sie hat Raum für alle diese Betrachtungsweisen,
denn Pathologie ist in theoretischer Hinsicht Biologie und in prak-
tischer die Lehre vom kranken Menschen.
Theorie und Praxis, in unserem Falle die Therapie, gingen oft neben-
einander her, ohne daß die Theorie Einfluß auf die Praxis gewonnen
hätte, gleich einem Ritter, der in seinem Wappenschild einen schönen
Wahlspruch führt, aber nicht danach handelt. Andere Male ist das
therapeutische Handeln von der Theorie befruchtet nach Boltzmanns
schönem Wort: „Es gibt nichts praktischeres als eine gute Theorie!“ —
Wir sahen auf Längsschnitten durch die Zeiten die Aufeinanderfolge
des Gleichartigen und lernten daraus die Richtung und Kraft einer
Bewegung oder Strömung, wir sahen auf Querschnitten das Neben-
einander des Gleichzeitigen und lernten daraus den Charakter und Stil
der Erscheinung, ihre größere oder geringere Einheit oder ihre Vermischung
mit anderen Erscheinungen derselben Zeit. Aus Wurzeln sahen wir
Stammbäume wachsen, die nebeneinander stehen und sich oft mit
ihren Laubkronen durchflechten, daß man sie kaum entwirren kann.
Unsere Sprache liebt für geistige Bewegungen das Bild der Strö-
mung. Und diese Strömungen kamen wie Wellen mit großer Stoßkraft,
verschwanden wieder vollständig, bis unversehens eine neue Welle, etwa
durch eine Zeitströmung verstärkt, uns daran mahnte, daß nichts völlig
untergeht, was einmal in Menschenköpfen brütete, denn
Leben ist Rhythmus und Weltengang ist Wellengang!
Nein! Der Geist der Medizin ist nicht leicht zu fassen. Man muß
ihn an den Wurzeln packen oder an die Quellen hinaufsteigen, wenn
man etwas davon begreifen will.
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so gut wie das andere. Sie hat Raum für alle diese Betrachtungsweisen,
denn Pathologie ist in theoretischer Hinsicht Biologie und in prak-
tischer die Lehre vom kranken Menschen.
Theorie und Praxis, in unserem Falle die Therapie, gingen oft neben-
einander her, ohne daß die Theorie Einfluß auf die Praxis gewonnen
hätte, gleich einem Ritter, der in seinem Wappenschild einen schönen
Wahlspruch führt, aber nicht danach handelt. Andere Male ist das
therapeutische Handeln von der Theorie befruchtet nach Boltzmanns
schönem Wort: „Es gibt nichts praktischeres als eine gute Theorie!“ —
Wir sahen auf Längsschnitten durch die Zeiten die Aufeinanderfolge
des Gleichartigen und lernten daraus die Richtung und Kraft einer
Bewegung oder Strömung, wir sahen auf Querschnitten das Neben-
einander des Gleichzeitigen und lernten daraus den Charakter und Stil
der Erscheinung, ihre größere oder geringere Einheit oder ihre Vermischung
mit anderen Erscheinungen derselben Zeit. Aus Wurzeln sahen wir
Stammbäume wachsen, die nebeneinander stehen und sich oft mit
ihren Laubkronen durchflechten, daß man sie kaum entwirren kann.
Unsere Sprache liebt für geistige Bewegungen das Bild der Strö-
mung. Und diese Strömungen kamen wie Wellen mit großer Stoßkraft,
verschwanden wieder vollständig, bis unversehens eine neue Welle, etwa
durch eine Zeitströmung verstärkt, uns daran mahnte, daß nichts völlig
untergeht, was einmal in Menschenköpfen brütete, denn
Leben ist Rhythmus und Weltengang ist Wellengang!
Nein! Der Geist der Medizin ist nicht leicht zu fassen. Man muß
ihn an den Wurzeln packen oder an die Quellen hinaufsteigen, wenn
man etwas davon begreifen will.