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Mayer, Adolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1928, 13. Abhandlung): Naturwissenschaftliche Apologetik des Christentums — Berlin, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.43555#0004
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Adolf - Mayer '

Und nicht allein zu einer Entfremdung, sogar zu Anfeindungen
zwischen den beiden Geistesrichtungen und den sich aus diesen ergebenden
Weltanschauungen ist es gekommen, überwiegend freilich von seifen
der naturwissenschaftlichen gegen die kirchliche, während die letztere,
zu Anfang wenigstens, den beschreibenden ganz wohlgesinnt waren;
und mancher besinnliche Landpfarrer hat zu diesen hübsche Beiträge
liebevoller Beobachtung geliefert. Ich erinnere hier zur Bestätigung
dieses Satzes nur an die bekannten Beispiele der Rede des Chemikers
Albert Ladenburg auf der Naturforscherversammlung zu Kassel im
Jahre 1902 und an das weltbekannte Buch des Zoologen Haeckel,
die Welträtsel, das namentlich auch in sozialdemokratischen Kreisen
weite Verbreitung fand, und die Kluft, die sich aufgetan, erheblich er-
weiterte.
Nun ist es keineswegs die Absicht dieser Veröffentlichung, in diesen
Streit, der sich im wesentlichen um die wissenschaftliche Wahrheit
der religiösen Dogmen handelt, einzugreifen. Dogmen sind meines Er-
achtens keine wissenschaftlichen Wahrheiten, die sich beweisen oder
widerlegen lassen, und auch auf das viel umstrittene, als Zuflucht für die
wissenschaftliche Bedrängnis dienende Gebiet des „inneren Erlebnisses“
religiöser Wahrheit möchte ich mich nicht begeben, dafür scheint mir der
Weg der wissenschaftlichen Psychologie, der hier betreten werden müßte,
noch nicht gangbar genug. Der Verfasser kommt auf dieses Gebiet
von der Volkswirtschaftslehre und der Soziologie her (die dem Natur-
wissenschaftler näher liegen), wie ja aus früheren Mitteilungen1) an die
Akademie zu ersehen ist. Nicht ob wahr oder unwahr, sondern ob gut
oder böse, dem Volkswohle dienlich oder schädlich, ist ihm die Grund-
frage bei einem Dogma, das also mitnichten einem Naturgesetze gleicht,
sondern viel eher einer Theorie in der Methodik der Wissenschaft. Eine
Theorie, oder der erste Wurf zu einer solchen, eine Hypothese, ist ja
auch nicht wahr oder unwahr, sondern nützlich oder unbrauchbar.
Das ist ihr Wahrzeichen. Sie werden angenommen oder verworfen,
je nachdem. Und sollte, daß es sich hier um eine Nützlichkeit für die
weitere Forschung, die endlich zu Naturgesetzen führt, dort um die
Volksmoral und endlich das Volkswohl handelt, sollte das einen so großen
Unterschied machen? -— Im Gegenteile, das soziale Wohl ist von noch
größerem Werte als der Fortschritt der Disziplin, weil es eine der Voraus-
setzungen ist zur wissenschaftlichen Entwickelung des menschlichen
Geistes überhaupt.
Hierbei ist noch die Tatsache besonders beachtenswert, daß auch
zwei wissenschaftliche Theorien miteinander in Widerspruch stehen

b Jahrgang 1927, 6. und namentlich die 7. Abhandlung.
 
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