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Mayer, Adolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1928, 13. Abhandlung): Naturwissenschaftliche Apologetik des Christentums — Berlin, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.43555#0005
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Naturwissenschaftliche Apologetik des Christentums. 5
können und dennoch nützlich, ja unentbehrlich sein für den Fortschritt
der Wissenschaft. Bei der Äthertheorie und den sich an den Namen
Einstein anknüpfenden Neuerungen auf dem Gebiete der theoretischen
Physik ist das z. B. entschieden der Fall. (Erklärlich sind solche Wider-
sprüche bekanntlich durch Verdunkelung von Tatsachen durch bis
dahin noch unbekannte Umstände, so wie z. B. die D Altonsehe Atom-
theorie noch durch die ihrem Entdecker unbekannte Isotopie vieler
chemischen Elemente mit nicht unbedeutenden Ausnahmen belastet
erschien). Auch ob eine wissenschaftliche Theorie zulässig ist, darüber
entscheidet nur die über die Wahrscheinlichkeit hinausgehende Mehrheit
der Fälle. Dieser Grund für die Milderung logischer Strenge sollte also
mit Fug und Recht auch den Dogmen zugebilligt werden.
Dogmen können also in ihrem Wahrheitsgehalte nicht wissenschaft-
lich erwiesen oder widerlegt werden. Sie sind keine Gesetze im Sinne
von Naturgesetzen oder Einzelfälle solcher Gesetzmäßigkeiten, sondern
sie stehen in dieser Beziehung ungefähr auf der Stufe von wissenschaft-
lichen Theorien nur mit dem allerdings tiefgreifenden Unterschiede,
daß es sich bei ihnen nicht mehr um wissenschaftliche Zwecke, sondern
um Angelegenheiten des praktischen Lebens handelt, dieses oder des
Lebens jenseits des Todes, welcher Unterschied nun aber auch große
wissenschaftliche Folgen nach sich zieht.
Zur Auffindung einer wissenschaftlichen Theorie gehört auch wohl
etwas künstlerische (nicht bloß schürfende, sondern aufbauende) Geniali-
tät. Zur Aufstellung eines neuen weltbewegenden Dogmas gehört aber
noch dazu eine große Persönlichkeit, bei der neben der Einsicht auch der
aufopfernde Wille ein ganz ungewöhnlicher ist. Die Religion rückt dadurch
weit ab von der Wissenschaft, für die im wesentlichen nur die intellek-
tuelle Begabung entscheidet und wird zur Kunst, zur höchsten Kunst,
da es sich bei den Geschehnissen, auf die sie wirkt, um die wichtigsten
Dinge handelt.
Uber die Brauchbarkeit einer Theorie entscheidet der Vertreter
derselben Wissenschaft, in deren Reihen auch der Erfinder dieses Hilfs-
mittels der Forschung angetroffen wird. Das Dogma muß aber wegen
seiner universalen Bedeutung und seiner ganz direkten Wirkung auch
von Außenstehenden geprüft werden, die vielleicht von jener Genialität der
Erfinder, die man in diesem Falle „Propheten“ oder in der späteren
Folge solcher plötzlichen Erscheinungen „Erweckte“ nennt, wenig in
sich haben, aber gerade durch diese Nüchternheit (vom religiösen Geiste)
zu dieser nun rein wissenschaftlichen Tätigkeit sich am besten eignen.
Die Religion, die selbst nicht Wissenschaft ist, erscheint in dieser Hinsicht
einer wissenschaftlichen Prüfung zugänglich, die man Apologetik nennt;
 
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