(J Adolf Mayer!
und zu dieser Apologetik ist auch der Naturwissenschaftler wegen des
neuen Umfangs seiner ihm eigentümlichen Erfahrungen auf allerlei
den Kulturwissenschaften wenig zugänglichen Gebieten, sowie durch
seine schärferen Forschungsmethoden, wenn diese auch nicht (ebenso-
wenig wie bei der naturwissenschaftlichen Ästhetik) bis zu den höchsten
Problemen hinanreichen, ganz besonders geeignet, wäre es auch nur,
um den Streit um diese Dinge von etwas Phrasenhaftigkeit, deren sich
die mehr philosophisch gebildeten Geister in solchen Fällen häufig
schuldig machen, zu reinigen.
Und um so mehr ist die Naturwissenschaft zu solcher Hilfeleistung
verpflichtet, weil sie bei der Religion in einem schweren Schuld-Konto
steht. Ist sie ja doch die Urheberin nicht bloß einer Masse von schönen
Entdeckungen, die das Leben des modernen Kulturmenschen verschönern
und erleichtern, sondern zugleich auch einer sehr Übeln wirtschaftlichen
Erscheinung, die gewöhnlich als Industrialismus bezeichnet wird; hat
sie ja auch zur Abkehr von aller Religion in großen Kreisen sehr wesent-
lich beigetragen, zwei Punkte, die beide einer näheren Ausführung be-
dürftig sind.
* *
❖
Was die Entdeckungen und Erfindungen anlangt, so sollte man
meinen (da man z. B. nun auf dem Acker mit Hilfe der neuen Düngungs-
und Samenveredelungsmethoden und mit den neu entdeckten Maschi-
nerien das Vierfache hervorbringt als vor hundert Jahren), daß es nun
der Mensch um so viel besser und bequemer haben müsse. Aber das ist
keineswegs der Fall. Auch die Bedürfnisse sind dementsprechend
an gewachsen, und das Leben mit so viel mehr Bedürfnissen ist keines-
wegs entsprechend glücklicher, weil die Gewohnheit den Reiz der Ge-
nüsse abstumpft und bald zum Selbstverständlichen macht, was zu
Anfang als eine große Erweiterung des Empfindungslebens galt. Wäre
das nicht so, so müßten ja die Menschen heutigen Tages ganz unbändig-
glücklich sein, da sie doch in früheren Zeiten das Leben schon recht
„des Lebens wert“ empfanden.
Dazu kommt die schlechte Güterverteilung, die durch den
Industrialismus sehr verschlimmert wurde, weil nun in diesem der Ge-
winnanteil, den sich der Unternehmer vorbehält, sich mit der großen
Zahl von Arbeitern, die in einem Unternehmen beschäftigt werden,
nach Maßgabe dieser Zahl vervielfältigt; und die Entwicklung der
Großindustrie folgte im wesentlichen der Entwicklung der Natur-
wissenschaften, weil erst diese in den Stand setzten, menschliche
Arbeitskraft entbehrlich zu machen, die entsprechenden Einrichtungen
und zu dieser Apologetik ist auch der Naturwissenschaftler wegen des
neuen Umfangs seiner ihm eigentümlichen Erfahrungen auf allerlei
den Kulturwissenschaften wenig zugänglichen Gebieten, sowie durch
seine schärferen Forschungsmethoden, wenn diese auch nicht (ebenso-
wenig wie bei der naturwissenschaftlichen Ästhetik) bis zu den höchsten
Problemen hinanreichen, ganz besonders geeignet, wäre es auch nur,
um den Streit um diese Dinge von etwas Phrasenhaftigkeit, deren sich
die mehr philosophisch gebildeten Geister in solchen Fällen häufig
schuldig machen, zu reinigen.
Und um so mehr ist die Naturwissenschaft zu solcher Hilfeleistung
verpflichtet, weil sie bei der Religion in einem schweren Schuld-Konto
steht. Ist sie ja doch die Urheberin nicht bloß einer Masse von schönen
Entdeckungen, die das Leben des modernen Kulturmenschen verschönern
und erleichtern, sondern zugleich auch einer sehr Übeln wirtschaftlichen
Erscheinung, die gewöhnlich als Industrialismus bezeichnet wird; hat
sie ja auch zur Abkehr von aller Religion in großen Kreisen sehr wesent-
lich beigetragen, zwei Punkte, die beide einer näheren Ausführung be-
dürftig sind.
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Was die Entdeckungen und Erfindungen anlangt, so sollte man
meinen (da man z. B. nun auf dem Acker mit Hilfe der neuen Düngungs-
und Samenveredelungsmethoden und mit den neu entdeckten Maschi-
nerien das Vierfache hervorbringt als vor hundert Jahren), daß es nun
der Mensch um so viel besser und bequemer haben müsse. Aber das ist
keineswegs der Fall. Auch die Bedürfnisse sind dementsprechend
an gewachsen, und das Leben mit so viel mehr Bedürfnissen ist keines-
wegs entsprechend glücklicher, weil die Gewohnheit den Reiz der Ge-
nüsse abstumpft und bald zum Selbstverständlichen macht, was zu
Anfang als eine große Erweiterung des Empfindungslebens galt. Wäre
das nicht so, so müßten ja die Menschen heutigen Tages ganz unbändig-
glücklich sein, da sie doch in früheren Zeiten das Leben schon recht
„des Lebens wert“ empfanden.
Dazu kommt die schlechte Güterverteilung, die durch den
Industrialismus sehr verschlimmert wurde, weil nun in diesem der Ge-
winnanteil, den sich der Unternehmer vorbehält, sich mit der großen
Zahl von Arbeitern, die in einem Unternehmen beschäftigt werden,
nach Maßgabe dieser Zahl vervielfältigt; und die Entwicklung der
Großindustrie folgte im wesentlichen der Entwicklung der Natur-
wissenschaften, weil erst diese in den Stand setzten, menschliche
Arbeitskraft entbehrlich zu machen, die entsprechenden Einrichtungen