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Mayer, Adolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1928, 13. Abhandlung): Naturwissenschaftliche Apologetik des Christentums — Berlin, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.43555#0010
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Adolf Mayer:

mit Stift und Pinsel vergaß der Zoologe Haeckel die seelischen Eigen-
schaften seiner Mitmenschen kennenzulernen, deren Wünsche, Begierden
und Laster, deren Hoffnungen und Tugenden zu studieren, so daß er
der Kenntnis des Seelenlebens nicht viel anders wie ein Kind gegenüber-
stand. Aus dieser trüben Quelle stammt der bekannte Radikalismus
der Naturforscher und der ihnen geistig so nahestehenden Mathematiker
in politischen, sozialen und kirchlichen Dingen und ein großer Teil der
viel verrufenen Professorenweisheit, die eben die Weisheit von auf Detail-
forschung gezüchteter spezifischer Talente und nicht mehr von viel-
seitig entwickelten Menschen ist.
Die logische Folge, welche darzulegen wir zustreben, liegt nun klar
auf der Hand. Notwendige Einseitigkeit naturwissenschaft-
licher Weltanschauung, Vorherrschen der Naturwissen-
schaften in unserer heutigen Kulturblüte, Anbetung dieser
Erfolge; also muß diese unsere Kultur die Spuren solcher Einseitigkeit
an sich tragen, die auch der Kirche feindlich ist, weil die religiösen Dog-
men in ihrer dermaligen Gestaltung der herrschenden Weltanschauung
unannehmbar sind.
* *
*
Und nun zur praktischen Bedeutung des Christentums, über die
von der in dieser Beziehung blödsichtigen Naturwissenschaft hinweg-
gesehenwird. Alle Religion hat ihre zwei Seiten: Pflichtenund Rechte.
Hätte sie die ersten allein, sie würde keine Bekenner haben, hätte sie
nur Rechte, sie würde keine Widersacher haben. Die Pflichten sind die
Befolgung der Gebote: ,,Du sollst nicht usw.“. Die Rechte sind die
Tröstungen im Unglück und im Leiden. Die ersten sind in der Jugend oft
schwer zu tragen. Diese muß zu ihnen genötigt, zur Moral erzogen werden.
Die Rechte sind die Früchte, die man im Leiden.und im Alter genießt.
Merkwürdig ist dabei, aber natürlich von der Naturwissenschaft
meist geleugnet, die Übereinstimmung der Moralgesetze, wie sie von
den anscheinend so ganz verschiedenen Weltreligionen aufgestellt und
gefordert werden. Die Moral des Konfuzius in die gleiche Sprache über-
setzt, deckt sich beinahe mit dem christlichen Codex, mit der einzigen
Ausnahme, daß in den östlichen Religionen die Wohlanständigkeit, die
mehr westlichen (westliche gibt es ja nicht) die Tapferkeit zum Moral-
gesetze erhoben wird. Dann fällt höchstens noch auf, wie gering im
Buddhismus die Arbeit eingeschätzt wird, die im höchst potenzierten,
paulinischen Christentume neben dem Verkehr mit Gott, dem Beten,
in einer Linie steht. Sonst kehren immer die gleichen Lebensregeln,
positiv oder negativ ausgestaltet, wieder.
 
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