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Salomon-Calvi, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1929, 4. Abhandlung): Gletscherbeobachtungen am Vadret Lischanna (Unterengadin) — Berlin, Leipzig, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.43577#0004
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4

Wilhelm Salomon:

ungewöhnlich heißen Sommers und daß der Gletscher so gut wie voll-
ständig ausgeapert war. Man konnte daher eine Menge Einzelheiten
sehen, die man vielleicht in anderen Sommern oder früher im Jahre nicht
so gut hätte wahrnehmen können. In der Eiswand war nun ohne weiteres
zu erkennen, daß die treppenförmigen Absätze der flachen Gletscherober-
fläche von zahlreichen Scheerflächen herrühren, wie sie Philipp in einer
Reihe von Arbeiten ganz genau beschrieben und ihrer Bedeutung nach
gewürdigt hat.1) Sie ziehen von der Gletscheroberfläche in die senkrechte
Eiswand hinein und sind mit Blaublättern verbunden. Die ganze Weg-
länge des Gletschers beträgt an dieser Stelle etwa 500 m. Er steigt von
etwa 3000 auf 2857 m herab. Diese geringe horizontale und vertikale
Strecke reicht also aus um die Scherflächen und Blaublätter zu erzeugen.
Allerdings machte es mir den Eindruck, als ob wenigstens ein Teil der
Scherflächen alten Firnschichtoberflächen folge, die durch Verunreini-
gungen die Kohäsion der Masse verringert hätten. Von besonderer Be-
deutung ist es aber nun, daß. wie es Bild Fig. 2 zeigt2), die Scherflächen
und Blätter in der Wand zu mehreren Faltensystemen gestaut und durch
mindestens drei (? 5) neue Scherflächen schief durchschnitten sind.
Dabei sind die linken höheren Schollen immer über die rechten niedrige-
ren und stromabwärts gelegenen Schollen überschoben. Die neuen Scher-
flächen tragen also den Charakter von Überschiebungen. Die Falten sind
unsymmetrisch und nach rechts übergelegt. Auch Phillipp beschrieb in
der Arbeit von 1928, S. 71 die Erscheinung, daß neue Scherflächen ältere
Texturen zerschneiden, schleppen und biegen.
Auch wenn meine Annahme zutrifft, daß am Lischannagletscher
teilweise alte Firnschichtoberflächen zu Scherflächen umgebildet wurden,
ist es doch klar, daß sie bei größerer Weglänge sehr rasch zerstört werden
würden. Neue, von der alten Firnschichtung ganz unabhängige Scher-
flächen würden an ihre Stelle treten. Dabei scheint der Lischannaglet-
scher in dem in Betracht kommenden Teil sehr einfache Bodenformen zu

x) Untersuchungen über Gletscherstruktur und Gletscherbewegung. Geol.
Rundschau V. 1914. S. 235—239. — Ergebnisse der W. Filchnersehen Vorexpe-
dition nach Spitzbergen. Petermanns Mitteilungen. 1914. Ergänzungsheft 179.
— Geol. Untersuch, über den Mechanismus der Gletscherbewegung und die Ent-
stehung der Gletschertextur. Neues Jahrbuch f. Min. Beilageband 43, 1920.
S. 439 — 556. Neuere Beobachtungen zur Mechanik der Gletscher. Petermanns
Mitteilungen. 1928 S. 7 - 12 und 71 — 74. In diesen Arbeiten ist auch die übrige
Literatur, vor allen Dingen Hamberg angegeben.
2) Die Bilder sind von meinem Sohne Helmut aufgenommen. Leider war
die Wand beschattet, so daß die Einzelheiten ohne Nachhilfe nicht deutlich
erkennbar wären.
 
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